Irgendwie hatte ich immer noch ein wenig das Jetlag-Gefühl und so war ich schon um 7 Uhr wieder so wach, dass ich aufgestanden bin um einfach mal den Campground ein wenig zu erkunden. Zwar war ich nicht der Erste auf den Beinen, aber es war noch sehr ruhig, die Sonne strahlte auf halbem Weg zum Himmel (warme Jacken ) und der eine oder andere Kanadier bewegte sich auf die Bänke am Strand des Rock Lake zu, wo sie dann meist bis zum frühen Nachmittag, bis zur "Fire Preparation" blieben.
An dieser Stelle ist mal wieder ein kleiner Exkurs angesagt, nämlich der nicht ganz erst zu nehmende Exkurs zum "Gemeinen Kanadier auf dem Campground"
:
- Der Kanadier an sich ist eine super freundliche Spezies, mit der man jederzeit - so man möchte - in näheren verbalen und nonverbalen Kontakt treten an.
- Ein Campground bzw. eine Campsite und deren Umfeld eignet sich dazu besonders gut.
- Die Tageszeit spielt dabei eigentlich keine besondere Rolle, aber in den frühen Morgenstunden, mit einem dampfenden Pott Kaffee in der Hand und Badelatschen an den Füssen zur nächsten Wasserstelle schlappend oder am Abend, nach dem Dinner lassen sie sich am besten ansprechen
-
Folgende - ebenfalls nicht ganz ernst zu nehmenden - Beobachtungen waren während unserer Tour dabei immer wieder zu machen:
a) Jeder Kanadier hat oder hatte eine Uroma, Uropa, Oma, Opa, Tante, Onkel, Cousine, Cousen, Neffen oder Nichte, die aus Deutschland kamen, kommen oder einmal längere Zeit dort gewohnt haben oder zumindest einmal von Deutschland gehört haben. Einige besonders liebenswerte Exemplare der kanadischen Gattung waren sogar selbst mal kurze oder längere Zeit in Deutschland
b) Jedes Individuum der o.g. Gattung ist besonders Stolz darauf mindestens ein Wort auf Deutsch zu einer möglichen Unterhaltung beitragen zu können und bringt dieses auch gerne immer mal wieder zum Einsatz.
c) Der Tagesablauf der Spezies "Kanadischer Camper" folgt - von kleinen Abweichungen abgesehen - strengen Regeln und Ritualen, die wie folgt aussehen:
i) Früh aufstehen, Kaffee kochen, mit dem Kaffee in der Hand zum Seeufer spazieren und auf den See schauen oder beim WoMo im Campingstuhl sitzend auf den See
schauen.
ii) Barbecue-Grill oder Smoker anwerfen um Frühstück zu machen
iii) Kinder, deren Freunde/Cousinen/Cousens..., Omas, Opas, Tanten etc. die evtl. noch ein bisschen mehr Schlaf brauchten, wecken und zum Frühstück rufen
iv) abwaschen, sauber machen, ruhen
v) zwischen 13 und 14 Uhr Barbecue-Grill oder Smoker anwerfen, alle unter iii) genannten Personen wecken oder herbeirufen und Mittag halten
vi) siehe iv)
vii) ab spätestens 16.30 Uhr wird das Lagerfeuer vorbereitet. Merke: Die Spezies "Der Gemeine Kanadier auf dem Campground" läßt nichts, aber auch gar nichts
zwischen sich und sein Lagerfeuer kommen. Liebevoll in Zeltform geschichtet oder als architektonisch anderweitig kunstvolles Meisterwerk aufgebaut wird sich beinahe
tagfüllend darum gekümmert. Überall hört man spätestens ab 16 Uhr die Axt aus grossen Scheiten kleinere fabrizieren und spätestens ab 18.30 Uhr liegt eine Dunstglocke über
dem Campground, der in europäischen Medien sicherlich als Kapitaler Waldbrand Eilmeldungen auslösen würde. Auch das Fachsimpeln über Holz und dessen fachkundiges "In-Brand-Stecken" ist jederzeit ein willkommenes
Gesprächsthema
viii) Nach dem Entzünden des Campfires wird entweder darauf gegrillt, gekocht oder gebraten oder der unter ii) und v) bereits erwähnte Grill bzw. Smoker wird zusätzlich angeworfen und das Dinner wird bereitet
ix) Nach dem Dinner wird zunächst abgewaschen, sauber gemacht und anschließend am Lagerfeuer gesessen, getrunken, erzählt oder auch mal - besonders, wenn jüngere Menschen unterwegs sind, sie zur Gitarre gesungen!
x) Schlafen - Es gibt kaum eine hilfreichere Spezies, als den Kanadier auf dem Campground! Egal ob Anmachholz, Gas fürs Feuerzeug, Axtschärfer, Beilchen oder einfach nur hilfreiche Tips für alle Camperlebenslagen - man hat an ihm eine Bank! Hinzu kommt - wie auch bei allen anderen Gattungen dieser Spezies außerhalb eines Campgrounds - eine gute Portion Gelassenheit und Relaxtheit, von der vor allem wir Deutschen uns jederzeit eine dicke Scheibe abschneiden können. Dabei ist diese Gelassenheit/Relaxtheit nicht so entnervend, wie die "Komm ich heut nicht, komm ich übermorgen" - Mentalität in einigen eher südlich anzutreffenden Gefilden - nein, es ist einffach eine ruhigere und bedachtere Sicht auf das Leben und alles andere, dass wir als äußerst sympathis und ansteckend empfanden!
So weit erstmal dieser nicht ernst sondern eher liebevoll gemeinter Exkurs
Ich traf also den einen oder anderen kanadische Camper bei meiner morgendlichen Erkundung, man grüßte sich, hielt hier und dort ein Schwätzchen und bekam die ersten Tips für Wildtiersichtungen, Angeln oder sonstige Ausflüge. Absolut faszinierend bei meinem Rundgang auf dem Rock Lake Campground - und auch bei allen anderen Rundgängen auf den von uns besuchten Campgrounds - war ich von der Größe und den Ausmaßen der abgestellten "Camper" - bald möchte ich Häuser oder zumindest Bungalows sagen! Da war unser 7,50m und 6,5-Tonnen Gefährt wirklich eher ein "Autochen" gegenüber den Monstern, die man auf diesen Plätzen sah und mit denen die Kanadier rangierten, als ob es Kinderwagen wären
Nachdem dann mittlerweile eine Duftwolke von gebratenem Speck und Eiern durch den Campground wehte, zog es auch mich zu unserem WoMo zurück um ausgiebigst zu frühstücken! Nach Rühreiern, Speck, Toast, Käse, Marmelade, Tee und anderen guten Dingen, blieben wir bei unserem Plan heute erstmal ausgiebig zu faulenzen, bemerkten jedoch auch, dass es bei dem einen oder anderen Lebensmittel in den noch vor uns liegenden Tagen im Algonquiun zur Unterversorgung kommen würde - kurz: wir mußten noch ein paar Dinge einkaufen . Also machten wir uns mit unserem Camper auf den Weg nach Whitney, zum anderen Ende des Algonquin Parks. Dort gibt es einen kleinen Supermarkt, der alles bot, was unser Herz so begehrte. Auf der Rückfahrt hielten wir - wie von unseren kanadischen Nachbarn empfohlen bei "Opeongo Outfitters", weil es dort das günstigste und beste selbstgemachte Eis in der Umgebung geben sollte. Da die Temperaturen auch wieder dazu einluden (warme Jacken
) nahmen wir die Gelegenheit wahr und das Eis war tatsächlich sehr gut und bei weitem nicht so teuer, wie sonst in Kanada! Die Route an sich - also der Parkway 60 durch den Algonquin ist ein Traum - vor allem bei unserem Wetterchen. Wälder, die zu der Zeit schon bunt wurden, wechseln sich ab mit kleinen Seen, dazu dieser Eindruck der Weite, den wir überall in Kanda ausserhalb der Städte hatten - einfach schön!
Zurück auf dem Campground begann ich mich nach der Möglichkeit ein Kanu zu mieten umzusehen. Dabei hatte ich großes Glück! Der Vermieter war soeben dabei die vermieteten Kanus vom Vortag auf seinen Pickup zu laden und wollte mir sofort eines vermieten. Da der Tag aber ja schon fortgeschritten war, erklärte ich ihm, dass ich das Kanu erst am nächsten Morgen bräuchte, woraufhin er mir ein Kanu für 1 1/2 Tage zum Preis von einem Tag überlies, damit er es jetzt gar nicht erst aufladen müsse Dieses Angebot nahm ich natürlich gern an und so machten wir in den frühen Abendstunden nach ein paar Stunden süßen Nichtstuns, noch eine Kanutour rund um den Campgroud, die einfach traumhaft schön war. Man kann sowohl auf dem Hauptsee paddeln, als auch - in der Nähes des Campgrounds in verschiedene, kleine Kanäle einfahren, deren Ufer teils mit Schilf bewachsen sind und in denen sich Tiere tummeln. Bei dieser Gelegenheit sind wir auch bis auf ein paar Meter an einen Silberreiher herangepaddelt und konnten ihm - da er sich gar nicht von uns stören lies - eine ganze Zeit bei seiner geschickten Jagd zuschauen, bei der jeder Stoß seines Schnabels ins Wasser mit einem kleinen Fischchen von Erfolg gekrönt war! Einmal hat er sich dabei blitzschnell sogar eine fette Libelle aus der Luft geschnappt, die ihm zu nah gekommen war!
Zurück bei unserem WoMo entzündeten wir Grill und vorbereitetes Campfire und der Tag klang erneut mit leckerem Essen und Lagerfeuerromantik aus!
Hallo Jürgen,
da bin ich doch mal Neugierig am mitlesen, passt ja zu unserem Herbst-Urlaub.
Dein Research zu dem Spezies „kanadische Camper“ sind so ziemlich die gleichen wie unsere Erfahrungen zu den US-Westcoastcamper. ???
gruss Markus
Wollte ich mich für andere verbiegen, wäre ich Büroklammer geworden!
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