15 Leavenworth

Wir fahren weiter, dazu müssen wir erstmal wieder zurück Richtung Cle Elum, das Wetter ist weiter sagenhaft. Die Straße ist schön, offenbar hat es vor nicht allzu vielen Jahren hier gebrannt, auf der einen Seite ist der See, auf der anderen ein Silberwald. In Roslyn waren auch ganz viele rührende „Thank you, firefighters“ - Botschaften im ganzen Ort.

Wir wollen heute nach Leavenworth. Wenn die Locals dessen gewahr geworden sind, dass wir aus Deutschland kommen, hat eigentlich fast jeder mit einer guilty-pleasure-Mischung aus irgendwie peinlich und irgendwie begeistert gefragt, ob wir uns etwa auch Leavenworth angucken, insofern sind wir schon gespannt.

Was soll ich sagen: wir fanden es witzig! Sie ziehen das Ding wirklich durch, von Safeway über McDonald‘s zu Starbucks, Hotels, Gastro, alles in pseudo-bayrisch, so ein bisschen im Las Vegas Style. Unser jüngstes Reisekind war auch wirklich verwirrt, sind wir jetzt in Bayern, in Amerika…?

Wir verbringen einen vergnüglichen Nachmittag im Bann der zahlreichen Souvenirshops und der durcheinandergebrachten europäischen Anspielungen, essen ein nach Brezel aussehendes Süßgebäck, kaufen „französisches Ciabatta“ in der auf deutsch gemachten Bäckerei -das Ganze ist komplett auf einheimischen Tourismus ausgelegt und es ist witzig.

Leavenworth hat aber auch noch eine zweite Seite, und dass ist der Outdoorenthusiasmus-Zweig, dafür gibt es auch tolle Läden, ernsthafte Ausstattung, und auch witzige Geschenkartikelläden. Im Winter ist Leavenworth ein Wintersportort, im Sommer hat Leavenworth neben einem ganz ansehnlichen Angebot an Outdooraktivitäten (Rafting & Co) die Wanderer da, die in die von hier zugänglichen Enchantments wandern wollen: ein in weiten Teilen nur mit Permit zugängliches Naturschutzgebiet. Ein Through-Hike durch die Enchantments ist sozusagen der Olymp der Washingtoner Hiking Community.

Es gibt nur wenige ohne Permit zugängliche Day Hikes in die Enchantments, die Zufahrt zu dem Trailhead zu einem davon, dem Colchuck Lake Hike, liegt direkt hinter unserem heutigen Campground an der Icicle Creek Road, zu dem wir jetzt hinfahren, der Campground liegt wirklich unweit von Leavenworth, tatsächlich 8 Meilen die Straße entlang.

Es sind fast nur Zelter auf dem Campground, und viele brechen am nächsten Tag auf zu dem Trailhead zum Colchuck Lake oder auch, wenn sie eine Permit haben, noch höher Hinaus. Leicht ansteckendes Outdoorfieber auf dem Campground, so eine aufregende drink-beer-talk-gear-Stimmung… Ich wäre auch gerne am nächsten Morgen zum Colchuck Lake losgehikt! Obwohl ich schon zuhause beschlossen hatte, es nicht zu machen, die Straße zum Trailhead soll absolut nicht Womo-geeignet sein, und es gibt leider keinen Bus oder Shuttle. Nick hat seit den Gruselpotholes am Lewis River absolut keine Lust mehr auf absehbar schlechte Straßen und scheint völlig immun gegen meinen jetzt mit Wucht aufkommenden Hike-Neid. Und bei aller Losgeh-Sehnsucht ist zuzugeben, dass er total recht hat, denn am Lewis River waren es fiese ungefähr 50 Meter, hier sind es fast vier Meilen, die mit steep, bumpy, potholed beschrieben sind.

Trotzdem bleibt das Gefühl doof, dass wir am Fuße eines wahrscheinlich sensationellen Wandergebietes standen und dieser Gegend überhaupt nicht gerecht worden sind.

Na gut, genug genöhlt, vielleicht wagt es ja mal ein Forie, der nicht gerade vorher eine traumatische Pothole-Erfahrung gemacht hat! Oder jemand besonders Sportliches legt die Anfahrtsmeilen zum Trailhead noch auf den Hike obendrauf.

Wir machen heute Open Air Kino-Nacht. 

Am nächsten Morgen herrscht schon vor dem Morgengrauen rege Betriebsamkeit auf dem Campground, im Scheinwerferlicht werden Zelte abgebaut und die Leute machen sich auf zu ihren Hikes. Zum Glück haben wir aber heute auch ein gutes Programm, und nach einem trödeligen Morgen machen wir uns wieder auf nach Leavenworth, wir wollen hier noch tuben!

Wir kennen Tubing ja schon von Vancouver Island, und wir finden es klasse. In Leavenworth beginnt man mit dem Shuttlebus und treibt dann in seinem Reifen entspannt zurück zum Ausgangspunkt. Wir bekommen jeder zwei Frisbees zum Paddeln, falls es mal lahm wird. Die Tubes sind auch gut, die haben sogar so ein höhenverstellbares Schwebenetz da drin, damit einem bei den kühlen Washington-Gewässern nicht der Po kalt wird. Gutgelaunte Mitarbeiter, ein schöner Tube-Run mit nur wenigen Stellen, bei denen man die Frisbees braucht und es sind witzig chillige Leute auf dem Fluss. Also der richtige Thrill & Chill - Mix!

Tubing ist einfach eine superentspannte und spaßige Sommeraktivität für die ganze Familie. Bei diesem Run hier waren wir 2 1/2 Stunden auf dem Fluss unterwegs.

Nach dem Tubing machen wir uns auf zu unserem heutigen Campground, dem Lake Wenatchee State Park. Leavenworth war der östlichste Ort auf unserer Reise und auch wenn wir uns immer noch Zeit lassen, beginnt es jetzt doch sehr, sich nach Rückweg anzufühlen.

Schöne Grüße, Janina.