Heute werden wir mal wieder unter Bäumen wach. Und was für Bäume das sind, richtige Riesen sind das!
Und es gibt wieder richtige Duschen für uns, wenn auch kostenpflichtig. Sie werden gleich ausgiebig genutzt.
Wir genießen es, wieder an einem stabilen Tisch auf einer Campsite in der Natur frühstücken zu können. Um uns herum ist dichter Urwald.
Heute wollen wir nun endlich zu dem mächtigen ruhenden Vulkan aufbrechen, von dem wir schon so viel gehört haben. Das neue Fernglas unserer Jüngsten steht auch schon einsatzbereit auf dem Tisch.
Bevor wir losfahren, erkunden wir noch den Spielplatz der Day Use Area. Er liegt ganz in der Nähe unserer Campsite.
Auch größere Kids kommen hier auf ihre Kosten.
Vor der Fahrt zu dem Vulkan besuchen wir noch das nahe gelegene Mount St. Helens Visitor Center,
wo wir uns einen Dokumentarfilm zu dem Vulkanausbruch anschauen. Der Film ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber eigentlich gut gemacht und durch die eindrucksvolle Bildsprache bleibt auch bei kleineren Kindern etwas hängen.
Viel interessanter sind natürlich das begehbare Modell des Vulkans ...
... und ein Modell mit Knöpfchen und Blinklichtern.
Sehr anschaulich dargestellt ist auch der Vorher-nachher-Vergleich zum Ausbruch des Mount St. Helens.
Nachdem wir noch ein paar bunte Steinchen gekauft haben, wollen wir uns nun den Vulkan aus der Nähe ansehen. Unser Fahrtziel ist das Johnston Ridge Observatory. Es ist der über befestigte Straßen erreichbare Aussichtspunkt mit der besten Sicht auf die Nordflanke des großen Berges. Der Aussichtspunkt befindet sich mitten in der Todeszone des damaligen Ausbruchs. Dichter heran kommt man mit Fahrzeugen nicht.
Der Vulkanologe David Alexander Johnston, dessen Namen der Aussichtspunkt trägt, befand sich im Moment des Ausbruchs übrigens genau dort. Seine per Funk aufgezeichneten letzten Worte waren: "Vancouver! Vancouver! This is it!", bevor er von der Wolke aus vulkanischer Asche, Lava und überhitzten Gasen weggefegt wurde.
Wir fahren den Spirit Lake Memorial Highway entlang, während wir uns über den Ausbruch des Mount St. Helens und seine Folgen unterhalten. Kurz hinter dem Kid Valley Campground erreichen wir dabei den nördlichsten Punkt unserer Reise.
Es ist eine sehr gute Straße, weil große Teile der heutigen State Route 504 ja erst in den 80er und 90er Jahren neu gebaut wurden. Die Straße verläuft in diesem Streckenabschnitt heute deutlich weiter nördlich als damals.
Die Landschaft hatte sich bei dem Vulkanausbruch auf einen Schlag total verändert, es war der bis heute weltweit größte aufgezeichnete Bergrutsch überhaupt. Durch die bis zu 180 Meter hohe Schlammschicht haben sich die Ufer von Seen verschoben, sind welche neu entstanden oder haben sich vergrößert, weil natürliche Abflüsse auf einmal nicht mehr existierten.
Bei dem Ausbruch waren insgesamt 57 Menschen ums Leben gekommen, darunter Holzfäller, Camper, Wanderer. Tausende Tiere wurden getötet, Baumbestand mit Millionen von Kubikmetern Holz wurde vernichtet, Häuser, Straßen und Brücken zerstört.
Das Geräusch der berstenden Bäume bei der Lawine nach dem Ausbruch soll so gewesen sein, als wenn jemand Reisig über dem Knie zerbrechen würde, Bäume knickten um wie Streichhölzer. Die Lawine aus Geröll, Schlamm und Asche hatte anfangs eine Geschwindigkeit von fast 250 Kilometern pro Stunde, die erste Welle des pyroklastischen Stroms in Form einer dunkelgrauen Wolke aus überhitzten vulkanischen Gasen, Asche, Bimsstein und pulverisiertem alten Gestein, welche die Schlammlawine schnell überholte, erreichte sogar eine Geschwindigkeit von 1080 Kilometern pro Stunde, fast so schnell wie der Schall. Teile der 19 Kilometer in die Höhe geschossenen Aschesäule gingen zwei Wochen lang um den gesamten Erdball.
Wochen vorher schon waren erste Veränderungen zu bemerken gewesen. Es wird wohl genügend Zeit sein, den Yellowstone National Park rechtzeitig zu evakuieren, sollte dort irgendwann einmal eine Eruption bevorstehen.
Die ganze Gegend östlich vom Pazifischen Feuerring ist noch vulkanisch aktiv. Mount Hood ist auch ein Kandidat, wenngleich die Wahrscheinlichkeit eines explosiven Ausbruchs wie beim Mount St. Helens dort eher gering ist. Der Vulkan steht jedoch unter Beobachtung, ebenso wie der Mount Rainier, der höchste Berg der Kaskadenkette, welcher als immer noch aktiver Vulkan gilt.
Wir sehen viele Aufforstungsgebiete, auch jüngeren Datums. In der Ferne ist der Mount St. Helens bereits hin und wieder mal zu erkennen.
Wir kommen ihm von Mal zu Mal näher.
Als er genau vor uns auftaucht, geht ein Wow durch's Wohnmobil.
Wir haben den Eindruck, der Ausbruch sei gerade erst passiert. Man sieht so richtig noch den Erdrutsch.
Am Loowit Viewpoint halten wir nicht an, wir fahren weiter zum Parkplatz am Johnston Ridge Observatory.
Ein Stellplatz ist schnell gefunden. Verglichen mit den Parkmöglichkeiten im Yellowstone ist hier selbst für größere Fahrzeuge gefühlt zehnmal so viel Platz. Nach einem kurzen Fußweg stehen wir dann am Aussichtspunkt mit direktem Blick auf den Vulkan.
Unsere Jüngste kann ihr neues Fernglas gleich ausprobieren.
Unser Großer: "Ist schon krass. Das war mal ein schöner, hoher Berg, und dann auf einmal ..."
Die Veränderungen in der Landschaft sind schon kolossal. Unser Sohn macht eine Panoramaaufnahme.
Und doch gibt es hier inzwischen wieder Leben, auch Tiere können wir beobachten. Unser Tierfotograf ist sofort zur Stelle.
Und wo er schon mal dabei ist.
Vor allem fasziniert uns jedoch die Pflanzenwelt, die sich Stück für Stück ihren alten Lebensraum zurückerobert.
Noch ganz beeindruckt kehren wir zu unserem Wohnmobil zurück, und nach einem kleinen Snack fahren wir weiter.
Jetzt geht es ohne weiteren Halt bis zu unserem nächsten Campground, es liegen noch überschaubare 145 Meilen vor uns. Es herrscht eine gelöste Stimmung, die Straße führt größtenteils bergab, wir genießen noch einmal das Bergpanorama.
Die Landschaft wird wieder grüner. Es sind gut die unterschiedlich jungen Waldgebiete zu erkennen. Unsere Große meint, dass man hier einfach mal eine Kamera aufstellen, ein paar Jahre lang jeden Tag ein Foto machen und das Ganze dann als Film ablaufen lassen müsste. Man würde bestimmt wunderbar sehen können, wie die Vegetation Jahrzehnte nach dem Ausbruch noch immer in Veränderung ist.
Der mächtige Vulkan ist ein paarmal noch zu sehen, wir verabschieden uns von ihm.
Es liegt jetzt noch genau die Hälfte unserer Reisezeit vor uns. Wir haben sozusagen Bergfest. Wir freuen uns auf den nun bevorstehenden zweiten Teil unserer Rundreise, die Fahrt entlang der Pazifikküste.
Am Ende des Spirit Lake Memorial Highway überqueren wir die I-5 und fahren durch das schöne Örtchen Castle Rock. Es empfängt uns eine Blütenpracht. Überall hängen große Petunienbälle an den Straßenlaternen.
Wir sehen Handwerkerläden, einen Barber Shop, Blumenläden, ein Family Health Center, die City Hall, eine Kirche. Der kleine Ort wirkt sehr frisch und einladend. Doch es zieht uns an die Küste.
Wir kommen ihr immer näher. Wir wittern schon die Meeresluft. Erste große Frachter sind auf dem Columbia River zu sehen.
Möwen kreisen über dem immer breiter werdenden Strom. Am Horizont können wir bereits die offene See erahnen.
Es zieht zwar langsam zu, aber das Wetter kann sich an der Küste ja auch schnell wieder ändern.
Die Astoria-Megler Bridge kommt in Sicht. Der Himmel ist mittlerweile bedeckt.
Kurz vor der Brücke fahren wir auf den Highway 101 auf, den wir den größten Teil unserer restlichen Reiseroute entlangfahren werden. Dann geht es auf die Brücke.
Auf der Fahrt über die Astoria-Megler Bridge werden wir von vielen Möwen begleitet, sogar ein paar Pelikane sehen wir.
Es ist gute Laune bei uns an Bord. Wir freuen uns, am Meer angekommen zu sein und sind gespannt auf unsere erste Campsite an der Pazifikküste.
Nach wenigen Meilen haben wir den Fort Stevens State Park erreicht.
Wir halten kurz an der Campground Registration. Ich steige aus und werfe erst mal einen Blick nach oben. Der Himmel ist immer noch bedeckt und es weht eine schwache Brise vom Meer her.
So eine dichte Bewölkung haben wir auf unserer Reise bisher nur selten gehabt. Wenigstens regnet es gerade nicht.
Ursprünglich wollte ich das Wrack der Peter Iredale bei Sonnenuntergang fotografieren, dafür sind die Voraussetzungen jedoch alles andere als optimal. Aber hey, wir fünf Piraten sind endlich an der Küste angekommen und übernachten heute das erste Mal am Pazifik!
Die Registrierung ist schnell erledigt. Von Gitarrenklängen begleitet rollen wir über den Campground.
Der Fort Stevens State Park wirkt auf uns trotz seiner Größe angenehm ruhig und entspannt. Es ist zwar noch Hauptsaison und der Campground ist restlos ausgebucht, aber davon bekommen wir ehrlich gesagt nicht wirklich etwas mit.
Neben unserem Loop gibt es einen sehr schönen Spielplatz, an welchem wir auf der Anfahrt zu unserer Site Nr. 201 direkt vorbeifahren. Unsere Jüngste hat ihn als Erste entdeckt. Und unsere Site gefällt uns richtig gut, vor allem der Wald ist hier sehr urwüchsig und dicht.
Nach dem Einparken und Leveln gehen die beiden jüngeren Kinder sofort auf den Spielplatz, unsere Große hilft in der Küche. Es gibt heute wieder lecker Grillfleisch.
Während ich die Anschlüsse vornehme und draußen alles vorbereite, fällt mir auf, dass es auch hier kaum Mücken zu geben scheint. Das ist erstaunlich, da doch nach den Berichten, die wir in den vergangenen Wochen so gelesen haben, die im April begonnene große Mückenbekämpfungsaktion angeblich fehlgeschlagen sein soll. Uns soll es recht sein.
Wir freuen uns, endlich wieder im Schein des Lagerfeuers beisammensitzen zu können. Das hat uns auf dem improvisierten Campground zur Sonnenfinsternis doch ein wenig gefehlt.
Als es Zeit zum Schlafen wird, schaue ich noch einmal kurz aufs Handy und bin überrascht. Laut Wetterbericht soll es in den frühen Morgenstunden vorübergehend aufklaren. Peter Iredale bei Ebbe in der blauen Stunde – das möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Der Rest der Mannschaft ist einverstanden, dass ich mir den Wecker stelle, um unser Schiff noch vor der Morgendämmerung ganz langsam vor zum Strand zu steuern. Die Straße dorthin dürfte relativ eben sein.
Mit dieser Aussicht und gedanklich schon in den Dünen des großen weiten Meeres schlafen wir ein.
Hallo Felix
Der Fort Stevens State Park war auch ein Ziel auf unserer Abschiedstour durch den Nordwesten 2019. Leider tobte ein solcher Sturm an der Küste, so dass wir es vorzogen, einen Platz weiter im Landesinneren aufzusuchen!
Die Brücke über den Columbia haben wir 2009 überquert, ein atemberaubendes Erlebnis! Vor 2 Jahren haben wir sie nur im Dunst gesehen!
Eine Reise gleicht einem Spiel. Es ist immer etwas Gewinn und Verlust dabei - meist von der unerwarteten Seite.“ (Goethe)
Hallo Alex,
Ich freue mich jedesmal, wenn es wieder weiter geht mit deinem Reisebericht. Durch deinen lockeren und doch präzisen Schreibstil, die schönen Fotos und nicht zuletzt die wunderbare Musik fühlt man sich sehr nah an eurer besonderen Art des Reisens. Gerade gestern Abend habe ich im TV eine Reisedokumentation über den Hwy 101 von Oregon nach San Francisco gesehen, eine Gegend die ich bislang nicht kannte. Da bin ich gespannt auf eure Erfahrungen und Fotos vom tosenden Pazifik, den giant trees und und und...
Viele Grüsse, Irma
2012 Südwesten 2015 Yellowstone/Badlands/RMNP Herbstfahrer's Reiseberichte
Hallo Werner,
Sturm hatten wir zum Glück keinen, aber kräftigen Wind mit steifen Böen schon, an zwei Tagen. Mehr soll aber noch nicht verraten werden.
Hallo Irma,
vielen Dank.
Die Pazifikküste war wirklich eine nachhaltige Erfahrung gewesen. Du darfst gespannt bleiben!
Viele Grüße
Alex
I love not man the less, but nature more
Reisebericht "The Big Circle" (LAX-LAX)