Noch vor Morgengrauen schrecken wir aus dem Schlaf. Nicht weit entfernt hören wir das langgezogene Heulen eines Kojoten. In einiger Entfernung wird sein Ruf von mehreren Rudelmitgliedern erwidert.
Ganz leise kriechen wir aus unseren Schlafsäcken, öffnen den Reissverschluss des Zeltes und schleichen hinaus. Doch gegen die hervoragende Nase und das gute Gehör haben wir keine Chance. Der Störenfried hat schon längst das Weite gesucht. Vielleicht beobachtet er uns ja auch heimlich, wer weiss?
Aber der frühe Weckruf kommt uns eigentlich gerade recht. Mit einem warmen Oatmeal und einer großen Portion Trockenfrüchte starten wir in den Tag.
Wir fahren wieder nordwärts, die Hole-in-the-rock-road hinauf, Richtung Escalante. Die Piste gleicht einem nicht endenwollenden Waschbrett.
Nach 50 km Rüttelpiste hat die Tortur aber dann ein Ende und wir erreichen den Abzweig zum Egypt Trailhead.
2018 war die Piste ab hier in einem erbärmlichen Zustand, mit metertiefen Auswaschungen und tiefen Spurrinnen. Dieses mal ist sie im Gegensatz zu damals aber recht human. Nach einer weiteren halben Stunde erreichen wir den kleinen Parkplatz am Ende der Straße. Kein anderes Auto ist weit und breit zu sehen.
Bereits während unseres ersten Aufenthalt entlang der Hitrr hatten wir die Tour hinunter zur Golden Cathedral unternommen, und waren damals absolut begeistert. Der Neon Canyon ist unzweifelhaft einer der schönsten Seitencanyons des Escalante!
Diesmal haben wir aber vor dort unten ganze zwei Tage zu verbringen und zu campen. Wir schnappen uns also erneut Zelt und overnight-equipment und machen uns auf die Socken.
Anfangs geht es mässig steil den Slickrock hinab. Nach einem kurzen Gegenanstieg läuft man dann immer am Nordrand des Fence Canyons entlang. Von oben hat man wunderschöne Blicke hinunter in das mit farbigen Laubbäumen bestandene Tal.
Der Fence Canyon von oben. Am Horizont, hinter der markannten Butte, befindet sich unser heutiges Tageziel.
Auf den ersten Blick scheint es keinen Weg hinunter in den Canyon zu geben. An geeigneter Stelle windet sich dann aber ein Pfad über Felsen und über eine kleine Sanddüne in die Schlucht.
Unten angekommen fühlt man sich sogleich wie in einer grünen Oase. Der Bach gluckert gemütlich vor sich hin und fliesst in mehreren kleinen Kaskaden in eine schöne Gumpe. Genau der richtige Ort für eine kurze Pause, in der wir die Füße ins Wasser strecken.
Im üppig bewachsenem Tal folgt man dem schmalen Wasserlauf, den man mehrmals überspringen muss.
Ein Blick zurück beim Abstieg in den Canyon
Indian summer - Wetter prima - Himmel blau - Bäume bunt - Note 1a mit Stern
Nach einer kurzen Wanderung entlang des Fence creeks gelangt man an die Einmündung in den Escalante Canyon.
Hier heisst es: Schuhe wechseln - Neoprensocken an - Hose hochkrempeln. Der Fluss muss mehrmals gequert werden. Das Wasser geht an den tiefsten Stellen zwar nur bis knapp unter die Hüfte, dennoch haben wir alles Empfindliche in wasserdichten Packsäcken verstaut - man weiss ja nie.
Schwieriger als die Querungen selbst ist es eine geeignete Stelle zu finden um ins Wasser hinein und dann vorallem auf der anderen Seite die Böschung wieder hinauf zu klettern. Das Ufer ist teils mit undringlichem Dickichtt bewachsen, steil, und glitschig.
Auf den Flussinseln verläuft der Weg abwechselnd durch dichtes Weidengebüsch und über Sandbänke. Pfade sind vereinzelt zu finden, verlieren sich aber nach wenigen Metern wieder. Die einzigen Spuren die wir entdecken stammen nicht von Menschen sondern von verschiedenen Tieren.
... und ein weiteres mal versperrt uns der Escalante river den Weiterweg. Da hilft nur ein beherzter Sprung ins kühle Nass !
Am besten ist es, man folgt den Felswänden die sich parallel zum Flusslauf entlangziehen. Hier läuft es sich meistens am einfachsten.
Fast wären wir daran vorbeigelaufen, doch die Wand vor uns birgt eine faustdicke Überraschung.
Wenn man auf den kleinen Felsabsatz klettert, kommt man ganz nah ran und erkennt: Hier befindet sich ein riesiges rock art panel der Anasazi Kultur.
Über mehrere Meter erstreckt sich eine Ansammlung von verschiedenster in den Fels geritzter Petroglyphen.
Die Indianischen Kunstwerke wurden leider in der Vergangenheit teilweise übel verunstaltet. Vandalen haben allerlei comicartige Figuren, Pferde und Inschriften eingeritzt (größtenteils wohl von Cowboys aus dem vorletzten Jahrhundert, es finden sich mehrere Inschriften von 1881 - waren es etwa Mitglieder der Hole-in-the -rock expedition?!?)
da hatte jemand wohl viel Spass am malen:
Die Felsen geben schon einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns im Neon Canyon erwarten wird:
Wir erreichen die Einmündung des Neon Canyons. An dessen Eingang stehen viele dicke alte Cottenwood trees.
Die ältesten sind durch die große Last umgefallen und versperren den direkten Zugang ins Seitental.
Etappenziel 1 ist erreicht!
Wir werfen die Rucksäcke von der Schultern und setzen uns erst einmal in den Schatten einer der großen alten Pappel.
Hier werden wir heute Nacht unser Lager errichten. Ein Platz in den wir uns bereits das letzte mal verliebt hatten.
Schon damals hatten wir uns fest vorgenommen, dass wir eines Tages zurückkehren und dann hier übernachten werden.
Der Wacholder und die Beifußsträucher verströmen einen angenehmen Duft, im sanften Wind rascheln die Pappelblätter.
Die Felswände reflektieren die Wärme der Sonnenstrahlen.
Es ist der letzte Oktobertag, vor nicht allzu langer Zeit haben wir noch Temperaturen unter Null, hier und heute ist es fast schon zu warm und wir sind ganz froh uns hier im Schatten aufhalten zu können.
Eigentlich würden wir hier gerne den ganzen Tag verbringen. Schöner kanns doch gar nicht werden, oder?
- aber da war doch noch was ... - ach ja, hätten wir fast vergessen: die Golden Cathedral!
an diesem lauschigen Ort, am Rande des kleinen Cottenwood Wäldchens, errichten wir später unser "Cowboy camp"
Mit leichtem Gepäck und einer gut gefüllten lunch-box machen wir uns auf den Neon Canyon zu erkunden ...
... und dieser macht sogleich seinem Namen alle Ehre:
Im indirekten Sonnenlicht fangen die Wände regelrecht an zu glühen.
Das Farbenspiel zwischen dem kräftigen Orange der Felsen, dem satten Grün der Bäume und dem tiefblauen Himmel ist gigantisch.
Ich finde im Deutschen gar nicht den richtigen Ausdruck um die Farben zu beschreiben:
Ist es mehr ein "leucht-neon-glutrot" oder vielmehr ein ein "orangiges goldgelb" ?
ein Amerikaner würde es wohl am ehesten als "fuckin flashing neon orange" bezeichnen, und das trifft es glaube ich eigentlich ganz gut ...
Die Wände sind von oben bis unten mit sogenannten "Wüstenlack"-Streifen durchzogen.
Bakterien an der Oberfläche der Felsen oxidieren das Eisen und das Mangan des herabrinnenenden Regenwassers, und bilden so in einem jahrtausende-andauernden Prozess die characteristischen dunklen Streifen an den Canyon Wänden.
Nach rund einer Stunde, aufgehalten durch die vielen Foto- und Staune-pausen, erreichen wir das hintere Ende des Canyons.
die letzte Hürde vor dem Ende des Canyons: Ein paar Blöcke müssen überklettert werden.
...und bäämmm -- da ist sie - die "Golden Cathedral", das Prunkstück des Canyons!
Der Canyon endet in einer Sackgasse, deren Ende durch einen überdimensionalen Überhang überspannt wird. Dieser bildet eine kathedralenartige Halle, in deren Decke sich zwei große Löcher befinden. Unter den Löchern liegt ein kleiner See, in dem sich die Sonnenstrahlen reflektieren und die so tanzende Muster an die Felswände werfen. Durch das indirekte Licht erscheint das innere in einem goldenem Licht zu erleuchten.
Gosh ... - einer der beeindruckensten Orte die wir hier im Südwesten der USA kennenlernen durften !!!
Es ist einfach nur schön hier, wir haben den Ort für uns ganz allein - keine Menschenseele ausser uns,
(und wir werden heute auch den ganzen restlichen Tag niemandem begegnen, und morgen auch erst wieder kurz vor unserer Rückkehr zum Auto)
Die goldene Kathedrale - ein Ort der offenen Münder und der staunenden Blicke
Dann aber meldet sich unser Magen lautstark zu Wort und befehligt zur Brotzeitpause.
Die Sandwiches schmecken hervorragend - ob das an den magischen Fähigkeiten der Köchin oder doch an diesem besonderem Ort liegen mag?
Als die Sonne weiterwandert und den Canyonboden nicht mehr erreicht treten wir den Rückmarsch an.
wenn ich Baum wär, würd ich mir auch genau hier ein schönes Plätzchen suchen ...
Zurück am Lagerplatz bauen wir unser Zelt auf.
Die Aussicht von unserem Lagerplatz. Ob man da auch hinaufklettern kann?
In den umliegenden Felsen hat das Zusammenspiel von Wasser und Zeit eigentümliche Strukturen aus dem Fels gewaschen.
Eigentlich könnten wir noch ein Stückchen weiter den Escalante folgen und den nicht allzu weit entfernten Ringtail Canyon erkunden.
- aber wir haben heute keine Lust. Wir bleiben einfach hier im Lager und geniessen den Ort, das Wetter, die ganze Stimmung.
Wozu eine Hängematte, wenn es auch ein bequemer Baumstamm tut?
An einer geeigneten Stelle klettere ich auf die Felsen, suche mir ein gemütliches Plätzchen und geniesse den Spätnachmittag.
Stück für Stück wandert der Schatten höher, das warme abendliche Sonnenlicht bringt die Felsen intensiv zum Leuchten.
Als die Sonne untergegangen ist und sich Dunkelheit über das Tal legt warten wir noch bis sich die Sterne am Firmament in voller Pracht zeigen.
Eine Eule sitzt in einem der Bäume über unserem Camp und lässt ab und an ihre gespenstisches "Huhuhuuu" erklingen.
Es ist Neumond und somit stockdunkle Nacht.
Wir schnappen unsere Stirnlampen und gehen nochmal ein Stück in den Canyon. Auch nachst versprüht dieser Ort einen einzigartigen Zauber. Die überhängenden Wände wirken im Licht der Taschenlampen noch wuchtiger, fast beängstigend. Nachts scheinen alle Geräusche viel intensiver als tagsüber. Jeder Schritt hallt an den Wänden und erzeugt ein Echo.
Wir wollten eigentlich nur einen kleinen Spaziergang machen, irgenwas lässt uns aber immer weiter gehen, und letztendlich landen wir dann doch wieder ganz hinten bei der Golden Cathedral (also zu diese Uhrzeit eigentlich eher bei der Dark Cathedral).
Unbeschreiblich, die Strahlen der Taschenlampen erreichen kaum die Decke des Überhangs. Was für eine einzigartige Kulisse für eine Nachtwanderung!
Irgendwann sind wir dann letztendlich doch im Schlafsack gelandet, aber wann genau weiss ich gar nicht mehr ...
Servus Christian,
wieder ganz großes Kino einer surreal schönen Landschaft. Davon werdet ihr vermutlich noch euren Enkeln erzählen.
Liebe Grüße
Micha
Scout Womo-Abenteuer.de
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Hi Christian,
und noch so ein toller Hike und ein atemberaubendes Fleckchen zum Übernachten.
Sag mal, du schreibst ja, dass das letzte Stück zum Trailhead in einem recht guten Zustand war. Gerne würde ich diese Wanderung im Sommer auch unternehmen. Es versteht sich von selbst, dass wir in Escalante nach den aktuellen Bedingungen fragen, zumal wir ja ohnehin Permits zum Übernachten an der Hole in the rock Road (HITRR) brauchen werden. Aber denkst du, das Stück zum Trailhead ist bei guten Bedingungen auch in einem 7Sitzer SUV zu machen (4WD Suburban o.ä - einen Jeep haben wir leider nicht). Wir sind da deutlich ... sagen wir mal vorsichtiger .... unterwegs als ihr, weil bei dem Fahrzeug nicht nur wegen der Länge deutlich weniger Clearance vorhanden ist. Ich würde mich sehr über eine Einschätzung freuen.
Liebe Grüße, Mike
Experience!
Scout Womo-Abenteuer.de
Hi Mike,
ja, unbedingt machen!
Ich denke das dürfte mit einem Suburban kein Problem sein. In ziemlich allen Beschreibungen wird halt "high clearance" empfohlen, aber der allergrößte Teil ist "normale" dirt road. Ein paar harmlose dry washes müsses durchquert werden. Falls tiefere Löcher vorhanden sein sollten kann man diese meist seitlich der Straße umfahren (meist haben sich da auch bereits Fahrspuren gebildet).
Im internet habe ich folgendes gefunden: "... The last few miles of this are quite rough, for high clearance vehicles, though 4WD is not necessary and the journey can, during good weather conditions, be made in a medium-sized RV. "
Die Übernachtungspermits kann man sich auch am trailhead selbst ausstellen oder als blanko-Formular beim Visitor Center mitnehmen.
LG,
Christian
Hi Christian,
danke für deine Einschätzung, dann ist die Golden Cathedral jetzt fest in den Plan aufgenommen wenn es das Wetter zulässt!
Danke auch für den Hinweis mit den Permits fürs Übernachten. Mal sehen, wo wir unser Zelt auftsellen werden.... Noch ist nicht ganz entschieden, wie lange wir an der Hole in the rock Road (HITRR) bleiben werden. Vielleicht entscheiden wir das auch spontan. Die Optionen wollen halt dennoch recherchiert werden...
Liebe Grüße, Mike
Experience!
Scout Womo-Abenteuer.de