Wir werden von der Sonne geweckt. Voller Neugier öffnen wir die Wohnmobiltür. Wow!
Ob da vorne gleich die Felskante ist?
Während meine Frau am Wohnmobil bleibt, schaue ich kurz vor, um diese Frage zu klären. Ich muss nicht allzu weit laufen. Keine hundert Meter von unserer Campsite entfernt erreiche ich diesen sagenhaften Balkon über dem Grand Canyon.
An seiner Spitze haben wir sogar eine eigene Sonnenterrasse. Das Tal, auf das wir schauen, müsste der Transept Canyon sein, die markante Erhebung vor uns der Oza Butte.
Wir werden unsere kleine Tochter allerdings nicht bis vor zum 'Balkon' lassen, das wäre dann doch zu gefährlich.
Sie ist inzwischen auch auf den Beinen und bestaunt die Aussicht, die wir von unserem Frühstücksplatz aus auf den "Kenni" haben.
Nach dem Frühstück gehe ich zur Anmeldung. Die nette Rangerin in der Campground Registration möchte nur unseren Namen und unsere Site-Nummer wissen. Die Länge unseres Wohnmobils scheint ihr egal zu sein. Sie sagt nur, dass wir immer mit allen Rädern auf dem Asphalt bleiben sollen, was bei der Länge unserer Site überhaupt kein Problem ist. Ich erhalte noch einen Hinweis auf die Raben am North Rim und darauf, dass wir nichts draußen lassen sollen, keine Lebensmittel, keine Müllbeutel, keine Wäsche auf Wäscheleinen, und dass wir keinen Reisig sammeln dürfen. Das müssen wir auch nicht, wir haben genügend Feuerholz dabei, welches heute Abend das erste Mal zum Einsatz kommen soll.
Zurück an unserer Campsite sehe ich, dass die Kinder bereits Kontakt zur Tierwelt des North Rim aufgenommen haben. Die Raben sind auch mit von der Partie. Unser Sohn hat gleich schon ein paar schöne Tierfotos gemacht.
Überhaupt sind wir hier von viel Natur umgeben. Es blüht in gelb und blau, und die Temperaturen sind richtig angenehm.
Heute steht nichts auf dem Programm. Wir können den ganzen Tag lang chillen.
Nachdem die beiden erwachsenen Damen noch die sehr sauberen Duschgelegenheiten ausprobiert haben, lassen wir uns treiben und genießen die Ruhe und Entspanntheit dieses schönen Campgrounds, sowohl auf unserer Campsite ...
... als auch auf unserer Sonnenterrasse.
Unser Tag verläuft sehr gemütlich.
Irgendwann kommt dann aber doch Wanderlust auf.
Wir beschließen, eine Wanderung auf dem Transept Trail zu machen, der parallel zum gleichnamigen Canyon verläuft. Unser Ziel ist die Grand Canyon Lodge.
Auf dem von unserer Campsite aus nur 1,2 Meilen langen Naturpfad, der sogar mühelos mit einem Kinderwagen zu bewältigen sein müsste und der ausschließlich für Fußgänger zugelassen ist, gibt es für Klein und Groß immer wieder Interessantes zu entdecken.
Die Erosion hat in der kolossalen Landschaft des Grand Canyon wirklich ganze Arbeit geleistet und Burganlagen wie aus einer Märchenwelt entstehen lassen. Wir können uns an dieser traumhaften Kulisse kaum sattsehen. Die mystische Burg in der oberen Mitte des linken Fotos ist unter dem Namen "Zoroaster Temple" bekannt.
Auf unserem weiteren Weg durch den zauberhaften Bergwald begegnen uns viele rätselhafte Fabelwesen, die zum Staunen und Verweilen einladen. Andere Menschen haben wir übrigens bisher kaum angetroffen, und dies immerhin an einem Samstag in der Hauptreisezeit.
Am Ende unseres Pfades beobachten wir noch ein Erdhörnchen, wahrscheinlich ein Felsenziesel. Es ist auf eine Bergspitze geklettert und blickt wie wir ins Tal hinunter. Wir sind nun genau am Aussichtspunkt unterhalb der Grand Canyon Lodge angekommen.
Auf der Terrasse der Grand Canyon Lodge ist ein Konzert eines kleinen Orchesters in Vorbereitung. Das wollen wir uns mal anschauen. Wir sehen Bühnentechniker, die ihre Kabel gekonnt wie Lassos auswerfen, es sind eben richtige Cowboys.
Langsam füllt sich die Terrasse.
Zur Eröffnung des Konzertes dreht sich der Dirigent kurz zum Mikrofon:
"Stand and join with us, as we perform the national anthem of the United States of America!"
Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen, die Männer nehmen ihre Kopfbedeckungen ab. Alle nehmen Haltung an und legen stolz die Hand auf die linke Brust, den Blick zur Flagge gerichtet. Mit viel Pathos wird die amerikanische Nationalhymne vorgetragen.
Wir erleben das zum ersten Mal und halten den Atem an. Damit haben wir hier ehrlich gesagt nicht gerechnet. Hätten wir aber können. Die Nationalhymne, auch unter ihrem Titel "The Star-Spangled Banner" bekannt, ist in den USA genau wie das Sternenbanner ein fester Bestandteil des öffentlichen Lebens.
Wir bleiben natürlich nicht bis zum Ende, damit es für unser Abendessen nicht zu spät wird. Wir wollen ja heute noch grillen.
Noch während das Konzert läuft, haben wir von der Terrasse aus einen phänomenalen Blick auf den Bright Angel Canyon.
Die Sonne kommt heraus und lässt die Berggipfel erglühen.
Die mystische Burg, die wir vorhin entdeckt haben, ist jetzt zum Greifen nah.
Auf unserem Heimweg wandern wir in die goldene Abendsonne hinein und werden dabei immer wieder mit schönen Aussichten belohnt. Auch unsere Jüngste hält gut durch, ihre Puppe trägt sie hierbei immer fest in ihrem Arm, die beiden haben heute wieder viel zusammen erlebt.
Nach der Ankunft an unserer Campsite ziehen wir sofort unsere 'Feuerklamotten' an. Heute werden wir unser erstes Lagerfeuer machen. Endlich stimmen auch die Temperaturen hierfür. Der Campground hat sowieso schon einen Spitzenplatz in unserer Rangliste eingenommen.
Die Montage unseres Gasgrills klappt im Handumdrehen. Den 'Obelix-Grill', wie die Kinder den originalen Grillrost der Feuerstelle nennen, brauchen wir eigentlich nicht. Solange ausreichend Platz auf unserem Gasgrill ist, nehmen wir lieber diesen.
Es ist eine herrlich ruhige Abendstimmung. Es hat inzwischen aufgeklart und erste Sterne sind zu sehen.
Später sitzen wir gemütlich am Lagerfeuer.
Unsere Große spielt auf der Gitarre, über uns ein Meer von Sternen, das unser Sohn mit seiner Kamera festhält.
Morgen wollen wir unbedingt einen Blick auf den Colorado River werfen, wozu wir gleich zweimal die Gelegenheit haben werden.
War das ein schöner Tag!
Hallo Alex,
Tolle Bilder!
Das ist der riesen Vorteil des North- gegenüber dem Southrim. Du bist genauso immer wieder am Staunen aber hier ist es dabei viel ruhiger.
Viele Grüße, Jörg
Impressionen aus Nordamerika
Hi Alex,
auf den Tag genau vor 3 Wochen standen wir auf site 15 und genossen ebenfalls die North Rim. Die rimsites sind schon allererste Sahne und auf der Sonnenterrasse genoß ich den farbenreichen sunset. Die unendliche Weite und die wenigen Besucher zeigen einem mal wieder, dass auch wir nur ein ganz kleines Rädchen auf unserem Planeten sind.
Schöner Schreibstil und ganz tolle Fotos . Wann geht es weiter?
Liebe Grüße
Matthias
Scout Womo-Abenteuer.de
Südwesten USA in 5 Wochen Herbst 2014
Hallo Jörg,
Hallo Matthias,
freut mich zu hören, dass auch euch die Ruhe und Ausgeglichenheit dieses schönen Ortes so gefallen hat.
Nachdem uns bei der Routenplanung unserer Erstlingstour klargeworden war, dass wir entweder nur den South Rim oder nur den North Rim besuchen können, hatten wir uns nach dem Lesen einiger Reiseberichte ziemlich schnell und einstimmig für den North Rim entschieden gehabt, trotz des langen Anfahrtsweges. Wir haben es nicht bereut. Um keinen Preis der Welt hätten wir die Privatsphäre hier am Nordrand des Grand Canyon gegen den Rummel am South Rim getauscht.
Der Suchtfaktor dieser Location ist schon gewaltig. Wenn für uns irgendwann noch einmal eine Reise in den Südwesten drin sein sollte, steht eine Doppelübernachtung auf dem North Rim Campground wieder ganz oben auf unserer Wunschliste.
Mit dem RB wird es noch ein wenig dauern, da ich aus beruflichen Gründen immer nur sehr sporadisch zum Schreiben komme. Aber eine Fortsetzung folgt, ist versprochen!
Viele Grüße
Alex
I love not man the less, but nature more
Reisebericht "The Big Circle" (LAX-LAX)
Toller Bericht, ich freue mich schon auf eine Fortsetzung. :)
LG, Jani