Um 4 Uhr klingelt der Wecker, wir quälen uns aus den Betten, denn um zehn vor fünf müssen wir in der Lobby des View Hotels sein. Was wir dann auch schaffen. Es warten schon mehrere Leute dort, auch die Schweizer von unserem Campground. Dann kommen mehrere Fahrer, wir bekommen den ersten, Harry Nez, er ist schon älter und sehr sympathisch. Ich freue mich, denn ich hatte auf trip advisor so viele gute Bewertungen über genau diesen guide gelesen.
Wir steigen in den offenen Jeep: Er hat Platz für 12 Personen, wir sind aber zum Glück nur 8.
Der vordere ist unserer, fotografiert etwas später am Morgen.
Und dann fährt Harry in einem Affentempo ins Dunkle. Es rumpelt nicht schlecht und wir werden ziemlich hin- und hergeworfen, alle sind angegurtet und halten sich gut fest. Beim ersten Halt ziehe ich meine Regenjacke über, obwohl ich schon einen Pulli anhabe, aber es ist ziemlich kalt, und der Fahrtwind macht es noch kälter. Dann warten wir alle schweigend im Dunkeln auf das erste Licht. Es ist sehr wolkig, ob wir den Sonnenaufgang überhaupt sehen? Egal, die Stimmung nimmt einen gefangen, ich kann es kaum glauben, dass wir wirklich hier sind. Die Buttes sind beeindruckend, auch im Dunkeln. Dann wird es langsam heller, und wir fahren weiter. Immer wieder bleiben wir stehen, Harry kennt sich natürlich mit Fotoapparaten bestens aus und gibt viele gute Tipps. Auch unsere Tochter tut ihr Bestes, um die Stimmung einzufangen. Harry nennt uns die Namen der Formationen und erzählt uns die dazugehörigen Legenden. Den Sonnenaufgang sehen wir nur teilweise, ein bisschen unter, ein bisschen über den Wolken, wir finden es trotzdem wunderschön.
Ab und zu, an besonders schönen Stellen, unter Felsvorhängen oder bei besonderen Formationen, singt Harry für uns indianische Lieder oder spielt Flöte. Dann sind alle ganz still und genießen diese besondere Atmosphäre.
Auch petroglyphs gibt es hier.
Harry gibt uns jede Menge Informationen über Kultur, Traditionen und Sprache der Dineh, man merkt, wie sehr er seine Kultur liebt. Zum Beispiel haben die Dineh kein Wort für „Auf Wiedersehen“ oder „Entschuldigung“, statt sich mit einem Wort zu entschuldigen, tut man das mit Gesten oder Geschenken. Auch unsere Auffassung von Zeit war den Dineh unbekannt, das Geburtsdatum wurde nicht erinnert, man wusste nicht, wie alt man war.
Harry erzählt uns, wie er mit seinen Großeltern Tongeschirr hergestellt hat, das hat viele Tage gedauert, sie mussten eine bestimmte Felsart in Pulver verwandeln, aber niemand hatte je Eile. Auch über Tod und Beerdigung spricht er.
Wir dürfen fragen, was wir wollen, und nützen das auch aus. Harry erzählt uns von seinen Kindern und Enkeln, wie sie heute leben, und welche Traditionen immer noch zum Alltag gehören. Es ist sehr interessant und auch unser Sohn stellt viele Fragen.
Nach 3 Stunden ist die Tour zu Ende, Harry bekommt 20$ Trinkgeld, auch alle anderen geben etwas. Die Schweizer laden uns für heute Abend zu einem Glas Wein ein und sind erstaunt, dass wir dann schon wieder weg sind. Sie selbst gehen jetzt noch reiten. Mir wäre das ein bisschen zu viel, ich muss erst mal diese schöne Tour sacken lassen, ich bin immer noch ganz beeindruckt.
Wir beschließen zum Forrest Gump Point zu fahren, heute haben wir noch viel Zeit. Da wir an unserem KOA vorbeifahren, benutzen wir dort noch einmal die sauberen Toiletten.
Am Forrest Gump Point sind einige Autos, auch zwei oder drei Verkaufsstände von Indianern gibt es an den Straßenrändern, aber insgesamt ist wenig los.
Mein Mann geht bis zum tiefsten Punkt der Straße, dann beginnt er den Berg raufzurennen. Unser Sohn filmt und kommentiert, es ist sehr lustig. Eigentlich müssten wir ja hinter meinem Mann herrennen, aber dazu hat keiner Lust.
Gegen Mittag fahren wir nach Kayenta, wo wir das Navajo Cultural Center besuchen wollen. Wir fahren zweimal durch den kleinen Ort, aber wir finden es nicht. Also beginnen wir, Einheimische danach zu fragen, Bauarbeiter und Verkäufer, aber keiner kennt es. Wie schade! Vor Mac Donalds fragen wir eine alte Dame, die keine Ahnung hat, uns aber ihre Geschichte erzählt: sie habe als kleines Mädchen (vor 70 Jahren??) hier gewohnt, und damals sei alles anders gewesen, kein Mac Donalds, keine geteerten Straßen. Sie hätte in einem Haus auf Stelzen gelebt, weil sie als Nichtindianerin nicht direkt auf dem Boden hätte wohnen dürfen. Es sei damals wildromantisch gewesen, und ein sehr großer Fehler, dass sie heute hier vorbeigekommen sei…
Da unsere Kinder gern vergleichen würden, ob der Mac Donalds hier genauso ist wie in Italien, gehen wir ausnahmsweise rein, um zu essen. Ich war das letzte Mal wohl vor 10 Jahren in einem. Das Essen ist wie bei uns, man wird nicht satt (noch nicht mal ich), aber eine Cola zum Nachfüllen gibt es bei uns nicht. Wir nehmen noch 2 Burger, die wir uns teilen, heute Abend essen wir dann mehr.
Danach machen wir uns auf den Weg zum Navajo Nazional Monument , wo wir heute übernachten wollen. Wir kommen so um 4 Uhr am Sunset View Campground an und fahren den ganzen Loop, um einen Platz zu wählen. Außer uns sind nur noch ein Womo und ein Motorradfahrer mit Zelt da. Gegen Abend ist es dann – soweit wir das sehen – voll.
Ich möchte sofort den Sandal Trail gehen, um das Pueblo Betatakin zu sehen, aber die Kinder möchten ausruhen, und mein Mann ist inzwischen schon in ein reges Gespräch mit dem Motorradfahrer verwickelt. Eine Weile höre ich sie über Ducati (kommt aus Bologna wie wir), BMW und andere Motorräder diskutieren, dann gehe ich meinen Mann holen. Aber auch ich werde sofort in das Gespräch verwickelt, der Motorradfahrer ist nicht zu stoppen. A. ist Rumäne und vor 36 Jahren in die USA gekommen (Lustig, genauso lange lebe ich schon in Italien). Seit 8 Jahren ist er mit seinem Motorrad unterwegs, immer on the road. Vorher hat er bei IBM gearbeitet, jetzt ist er im Ruhestand, das Geld reicht ihm zu diesem sparsamen Nomadenleben, reich ist er nicht. Da er keine Familie habe, sei er frei und ungebunden, und glücklich so. Auf der Ranch einer Freundin in Texas, wo er lange gelebt habe, habe er kleines Haus, aber dort halte er es nicht lange aus, dann führe er wieder mit seinem Motorrad los. Sehr interessant der Mann, aber mir geht eine Zeile aus einem Janis Joplin Lied nicht aus dem Kopf: „Freedom is just another word for nothing left to loose“.
A. war schon überall in den USA, aber am meisten liebt er den Südwesten. Er redet und redet, man merkt, dass er viel allein ist. Dann gibt er uns jede Menge Tipps, wo wir hinfahren sollen, wo man gratis übernachten kann usw. Er schenkt uns Straßenkarten von allen möglichen Staaten, die wir gut gebrauchen können. (Wir hatten noch nicht entdeckt, dass man in jedem Visitor Center welche bekommt). Er zeigt mir auch, wie man diese kleinen Bündel aus sage brush selber macht, er selbst macht gerade welche für Freunde in Kalifornien, die er morgen besuchen fährt. Schließlich gehen wir zu dritt den kurzen Sandal Trail zum Aussichtspunkt, A. erzählt von seinen indigenen Freunden, die er seit Anfang der Coronazeit nicht mehr sieht, um sie zu schützen. Die Indianer gehören zu den Gruppen in den USA, die am meisten Covid Todesfälle zu verzeichnen haben, deshalb hat ihr Präsident auch ein Maskengesetz erlassen. Auch über die amerikanische Politik reden wir, das tun wir mit „echten“ Amerikanern nie, aber A. hat sich das Auge eines Außenstehenden bewahrt, er weiß, wie Europäer denken und nimmt viele Fragen vorweg. Auch wenn er dieses Land liebt, mich kann er mit seiner Politik nicht versöhnen.
Als wir zurück am WoMo sind, trennen wir uns, ich bin ganz zugedröhnt. Ich pflücke die jungen Spitzen der sage brushes, ein paar Tage sollen sie trocknen, dann muss man sie zusammenbinden. Wir wollen grillen, überlegen, ob wir A. dazu einladen, aber er redet zu viel, auch wenn er sehr nett ist. Ich bringe ihm ein Bier und eine Packung italienischer Kekse, aber das Bier will er nicht und von den Keksen nimmt er nur zwei aus Höflichkeit. Also bringen wir ihm ein großes Stück von unserem italienischen Parmesan und darüber freut er sich sehr. Der Vater der Freundin unseres Sohnes wohnt in der Nähe von Parma und hat uns vor unserer Reise ein Riesenstück geschenkt. Wir haben es mitgenommen, denn Parmesan ist sehr gesund und gibt viel Energie, außerdem hält er sich gut.
Nach dem Essen gehen wir dann mit den Kindern nochmal den Sandal Trail, ich renne mit unserer Tochter um die Wette (wann habe ich das denn zum letzten Mal gemacht?), und wir haben viel Spaß. Es fängt an zu nieseln, da wird es wohl nichts aus dem berühmten Sonnenuntergang. Aber wir lassen uns nicht stören und tanzen durch den Regen, es ist schön hier. Dann hört der Regen doch noch auf und wir sehen einen Regenbogen. Und auch der Sonnenuntergang ist toll, was für ein schöner Ort hier. Einer unserer schönsten Campgrounds!
Wow....
Euere Aussicht auf dem Campground ist ja wirklich der Hammer :)
LG,
Christina
Hi,
wir haben uns immer gescheut, eine der Touren im Valley mitzumachen. Diese hier klingt aber sehr interessant.
Liebe Grüße Susan
Hallo Cla, Hallo Susan,
wir haben die Tour vor ca. 2 Wochen gemacht und fanden sie auch super. Ich kann sie nur empfehlen. Der Vorteil dieser frühen Tour ist, dass noch nicht so viele Fahrzeuge im Tal sind und es demnach auch noch nicht so staubig ist, wie immer berichtet wird. Wir waren mit 6 Personen das erste Tourenfahrzeug im Tal. Und an allen Hotspots, wo wir angehalten haben waren wir 6 und unser Guide immer ganz alleine. Ich hätte noch Stunden mit ihm einfach nur durch das Tal fahren können, weil es wirklich schön anzuschauen war. Der Nachteil... Kein Foto vom Indianer auf dem Pferd 🐎. War noch zu früh.
Wenigstens einmal muss man mal im Tal gewesen sein. Meine Meinung. Wir haben es auf keinen Fall bereut.
LG Jacky
Anmerkung: Metallica hat dort auch schon ein Video gedreht. Haben wir gleich gegoogelt. Stimmt...
Hallo Susan
Wie Jacky schreibt, die Tour lohnt sich ganz bestimmt, die Stimmung ist ganz besonders. Alle waren sehr still, die Sonne ging auf, unser guide hat für uns Flöte gespielt und gesungen. Wirklich schön.
Liebe Grüße
Claudia