Ein neuer Tag dämmert herauf und es lässt sich erahnen, dass wir heute wieder einmal mit fantastischem Wetter verwöhnt werden. Der Wettergott im Yosemite NP gibt für uns so richtig Gas … wir beschweren uns nicht J
Mit dem relaxten Tag gestern und unseren größeren Plänen für morgen schon im Blick können wir uns heute aber dann doch nicht zu den über 1000 Höhenmetern hinauf zu den Yosemite Falls bzw. bis zum Yosemite Point, der noch ein Stück oberhalb liegt, aufraffen. Die flachere Runde hin zu den Vernal Falls und dann entlang des Mirror Lake soll es also werden.
Wir schnüren unsere Rucksäcke gewohnt früh und brechen um kurz nach 7 Uhr entlang des Merced River zum Trailhead des Mist Trail auf. Den Teil bis zur Vernal Fall Footbridge kennen wir ja schon von unserem vorgestrigen Abstieg, doch ohne die Menschenmassen nehmen wir den Weg ganz anders wahr, es ist wirklich traumhaft hier. Das Wasser rauscht neben uns herunter und wir laufen langsam entlang der Granitfelsen und drehen fleißig den Kopf von rechts nach links und bestaunen diese tolle Natur.
Ganz schön steil ist es übrigens … wir kommen ordentlich ins Schwitzen und ich muss zwischendurch kleinere Päuschen einlegen, um das Brennen in den Beinen zu bekämpfen. Der Trail ist asphaltiert und enthält keine Stufen, das wird bei zweistelligen Steigungszahlen irgendwann echt unangenehm … autsch.
Irgendwann schaffen wir es aber dann doch bis zur Footbridge und können diesen Ort tatsächlich ein paar Minuten in Zweisamkeit genießen. Als langsam die ein oder andere Wandertruppe von hinten auftaucht, steigen wir weiter hinauf zur Gabelung von Mist Trail und John Muir Trail.
Statt dort freudig nach links in Richtung der Stufen hin zu den Vernal Falls abzubiegen, erwartet uns jedoch eine unschöne Überraschung … der Trail ist gesperrt. Aber warum nur? Vorgestern konnte man hier doch durch?
Ein Blick auf das große Hinweisschild, das hier hängt, hilft uns weiter. Für Sommer / Herbst ist dieses Stück des Mist Trail (also von der Gabelung des John Muir Trail bis zur Spitze der Vernal Falls) unter der Woche zwischen 7 am und 3.30 pm gesperrt, wir waren eine Stunde zu spät. Vorgestern waren wir erst am Nachmittag hier, so dass die Sperrung bereits wieder aufgehoben war und wir daraus die falschen Schlüsse zogen … hmpf.
Nun ist guter Rat teuer und ich bin erstmal gefrustet. Ich war in „Wasserfall-Stimmung“ und eigentlich nicht bereit, darauf zu verzichten. Frust und Trotz sind bei mir jedoch ein glänzender Motivator für physische Anstrengung J und so bogen wir statt nach links nach rechts auf den John Muir Trail ab. Wäre doch gelacht, wenn ich heute keinen hübschen, glitzernden Wasserfall aus der Nähe zu sehen bekomme!
Wir grooven uns ein und stapfen Schritt für Schritt in die Höhe, immer an den Hacken einer Wandertruppe, die auf dem Weg zu den Half Dome Cables ist. Wir meistern Kehre für Kehre und plötzlich öffnet sich der Blick und wir stehen am Clark Point mit Blick in die Morgensonne auf die Nevada Falls. Hoppla, das ging aber flott.
Wir machen ein Päuschen und als mein Männe und ich uns anschauen, steht uns derselbe Gedanke ins Gesicht geschrieben: „Wenn wir jetzt schon so weit oben sind …“
Wieder geht es über den glitschigen Pfad immer entlang der Felskante und ein paar Minuten später stehen wir wohlbehalten und unverhofft nicht an der Spitze der geplanten Vernal Falls, sondern zum zweiten Mal ganz oben bei den Nevada Falls.
Es ist friedlich, das Licht golden und nur wenige andere Menschen, vor allem Backpacker, sitzen hier und da auf den Felsen und genießen wie wir die Aussicht.
Nun packt uns die Abenteuerlust. Kann man wohl die Half Dome Cables ganz aus der Ferne sehen, wenn wir auf diesem Trail weiterlaufen und den Half Dome ein Stück umrunden? Gesagt, getan. Das Wetter lädt mehr als ein und so folgen wir dem Merced River und schießen unzählige, tolle Fotos von dieser grandiosen Landschaft.
Der Trail wird flacher und sandiger und wir realisieren, dass es bis zu einem Blick auf die Cables vielleicht doch ein Stückchen zu weit ist J Beim Little Yosemite Valley CG verschnaufen wir und sind beeindruckt von dem massiven Sanitärgebäude, schick.
Wir machen kehrt und folgen unseren Fußabdrücken zurück, bis wir auf die Gabelung zum Mist Trail stoßen, der hier vor den Nevada Falls steil nach unten abgeht. Wir erinnern uns … das Schild sprach nur davon, dass der Mist Trail zwischen der Gabelung zum John Muir Trail und der Spitze der Vernal (!) Falls gesperrt ist. Unverhofft kommt heute oft – wir wagen uns langsam hinunter und versuchen unsere Füße möglichst trittfest zu setzen, um uns nicht doof und unnötig einen Knöchel zu verstauchen.
Der Trail und die verschiedenen Blickwinkel auf die Nevada Falls sind klasse … nicht umsonst ist dieser Hike einer der am stärksten frequentierten im ganzen Valley trotz der damit verbundenen, vielen Höhenmeter. Nachdem der steilste Teil hinter uns liegt, genieße ich jede Sekunde.
Wir queren das Wasser über eine große Holzbrücke und dann geht es die letzten Meter durch die inzwischen heiß brennende Sonne in Richtung der Emerald Pools – gibt es die eigentlich in jedem Nationalpark J ? – und dann auf direktem Weg an das Gestänge in unmittelbarer Nähe der Vernal Falls.
Wir sehen von dort den gesperrten Teil des Trails, der selbst jetzt im September bei wenig Wasser ziemlich feucht aussieht. Die Feuchte hätte ich nur zu gern gegen den Anstieg in der Mittagssonne wieder hoch zum Clark Point, nur dieses Mal aus anderer Richtung kommend, eingetauscht, aber es nützt ja nichts. Der Weg nach unten führt … über den Weg nach oben. Alle Schattenstellen werden von uns wie üblich zum Verschnaufen genutzt, wir biegen um die Ecke und … stehen plötzlich mitten auf dem Trail im Stau.
Es ist mittlerweile früher Nachmittag und die Menschen, die mit unpassendem Schuhwerk auf Felsen herumklettern, abrutschen, sich weiterkämpfen und alles blockieren, nur um das eine coole Selfie zu machen, sind wieder da. Zeit für uns abzudüsen. Wir traben den mittlerweile ja bekannten John Muir Trail in flottem Tempo hinunter und stehen kurz darauf – mal wieder mit leicht schmerzenden Knien von dem langen Abstieg – am Trailhead.
Was für eine coole, spontane Wanderung! Der Mirror Lake Loop muss bis zum nächsten Mal warten. Wir laufen zur Abwechslung an der Straße entlang zurück zum CG und kühlen an der Womoline angekommen unsere Kehlen und Füße mit kaltem Nass. Heute haben wir wirklich keine Lust zu kochen und da uns im Curry Village gestern nichts angelacht hat, gehen wir im „Village Grill“ nahe des Store Burger futtern, die nicht nur super schmecken, sondern auch noch bezahlbar sind. Empfehlenswert!
Mit vollen Mägen spazieren wir in Richtung CG und hören es in der Ferne donnern. Der Wettergott wird doch wohl nicht? Die dunklen Wolken bescheren uns ein letztes, spektakuläres Foto von unserem Lieblingsfelsen, dem Half Dome, und erste Wehmut macht sich breit. Nach vier Nächten im Valley werden wir den Yosemite NP morgen über die Tioga Road verlassen. Selbst dieser mehrtägige Aufenthalt war noch lange nicht genug, um das Valley vollständig zu erkunden. Aber schön war es .. ohja.
Mit ein paar versprengten Tropfen im Gesicht – das war es dann aber auch an Feuchtigkeit von oben - lassen wir die Krachmaschine noch einmal eine Weile laufen, um mit kaltem Kühlschrank über die Nacht zu kommen und kuscheln uns dann nach einer wohltuenden Dusche ein.
Wanderbilanz des Tages (Inkl. „Burger“-Weg): Gute 26 km (also über 16 Meilen) und 1006 Höhenmeter.
Lieben Gruß
Annika
Hallo Annika,
ihr hattet ja wirklich an jedem Tag super Wetter!
Auch wenn anders als geplant, dennoch ein traumhafter Wandertag. Da sieht man wieder dass man sich von einer Sperrung o.ä. nicht entmutigen lassen sollte- man weiß nie was stattdessen hinter der nächsten Biegung auf einen wartet.
Liebe Grüße Tina
I´d rather have a passport full of stamps than a house full of stuff !
Hi Annika,
meine Anerkennung für diese ordentliche Leistung ! Gut, wenn man immer noch eine "Schippe" drauf legen kann für die verschiedenen Blickwinkel. Offensichtlich war der steile Auf- und Abstieg über die Felsstufen unterhalb des Vernal Fall zu gefährlich für die Massen, so dass man zum Mittel der Sperrung in den Hochzeiten griff. Ich kann mich noch gut an unseren vorsichtigen Abstieg vor knapp 20 Jahren erinnern. Danke für die schöne Schilderung!
Viele Grüße
Bernhard
Scout Womo-Abenteuer.de
Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen (G.C. Lichtenberg)
Moin in die Runde,
ja, das Wetter war wirklich erstklassig im Yosemite! Wir hätten es uns nicht besser wünschen können Viel Sonne, warm, aber nicht zu heiß.
Die Sperrung scheint es auch in diesem Jahr wieder zu geben, was für eine Sicherheitsmaßnahme spricht, wie du schreibst, Bernhard. Auf dem Schild vor der Sperrung, das wir gesehen haben, stand allerdings etwas von Instandsetzungsarbeiten, wenn ich mich recht entsinne. Werkelndes Personal habe ich allerdings nicht gesehen, wer weiß.
Lieben Gruß
Annika