Wir wachen wieder einmal mit dem ersten Morgenlicht auf und ich hüpfe mit der Stirnlampe bewaffnet hinaus, während der Männe sich hinter das Steuer der Womoline klemmt und meinen Leuchtanweisungen beim Ausparken folgt. Gleichzeitig leise zu sein, keine Zeltler wach zu leuchten und dabei keine Bodenwelle mitzunehmen, ist eine ordentliche Herausforderung. Wir schaffen es dann aber unversehrt runter vom CG und düsen in Richtung Norden.
Heutiger Plan: Wir wollen einen der vier (!) Oversized Vehicle Parkplätze am Glacier Point ergattern. Bei der Planung der Tage im Yosemite NP fiel mir nämlich schnell auf, dass die Glacier Point Road nach den Bauarbeiten zwar wieder befahrbar sei, aber der zugehörige Bus in 2023 nicht mehr den Betrieb aufnehmen würde. So war die einzig sinnvolle Möglichkeit (so dachte ich zumindest, aber wartet mal auf Tag 07 J) den Glacier Point zu sehen, mit dem eigenen Gefährt hinaufzufahren.
Spionierarbeit bei Google Maps enthüllte dann, dass es auf dem frisch geteerten Parkplatz vier passende Parkplätze geben könnte … vier Plätze im Yosemite sind nicht gerade viel, so dass wir uns sputen mussten und als Kirsche oben drauf einen schönen Sonnenaufgang mitnehmen wollten.
Die Abzweigung zur Glacier Point Road tauchte recht plötzlich und in einem anspruchsvollen Winkel aus Süden kommend auf, doch die Womoline entpuppte sich schon früh im Urlaub als echter Kurvenflitzer.
In den kleinen „Meadows“, die wir passierten, hing noch der Morgennebel und die Gräser waren leicht gefroren – ganz schön hübsch hier J Doch nichts toppt diesen unglaublichen Anblick, wenn in den letzten zwei Kurven vor dem Glacier Point der Half Dome aus dem Grün auftaucht. Mir viel sprichwörtlich die Kinnlade runter, während der Männe nichts mitbekam, weil er wie wild kurbeln musste, um diese „entspannte“ (fast) 180 Grad Kurve so halbwegs auf unserer Fahrspur zu meistern. Auf dem Parkplatz standen bereits ein paar Autos, doch 2 der 4 Oversized Parkplätze waren noch frei, juchu!
Wir schnappen unser Foto-Equipment und traben voller Erwartung los in Richtung Glacier Point. Mittlerweile habe ich einige Viewpoints in den USA gesehen und nicht wenige rauben einem den Atem, doch der Glacier Point im Morgenlicht? Wahnsinn.
Wir verbringen über eine Stunde mit Fotos und der Kombination aus sitzen und staunen. Die wenigen Menschen, die mit uns hier sind, tun es uns nach.
Dann wird es nach und nach voller und die Stimmung wandelt sich, die FlipFlop Touris, wie wir sie liebevoll nennen J, sind angekommen. Wir spazieren zurück zur Womoline und gönnen uns erst einmal ein Müsli und ein großes Glas (im Pinnacles NP gab es noch keine anständigen Becher) Kaffee.
Wir beratschlagen uns kurz, ob wir noch einmal den Standort wechseln wollen – es soll heute zum Sentinel Dome und zum Taft Point gehen und der Start wäre vom zugehörigen Trailhead aus klüger, doch das Gewusel draußen lässt uns zögern, was wenn wir dort keinen Parkplatz bekommen? Kurzentschlossen starten wir unsere Wanderung von hier, so viel länger und anstrengender wird das Ganze ja wohl nicht sein (Spoiler: Es war nicht länger aber anstrengender J).
Der Trail verschwendet keine Zeit, sondern windet sich nach 100m direkt mit ordentlich Steigung den Berg empor, so dass wir bereits früh am Tage ins Schwitzen geraten. Die Ausblicke sind jedoch, nachdem wir ein kleines Waldstück hinter uns gelassen haben, grandios.
Ein bisschen „Wildlife“ gibt es zwischendurch auch zu bestaunen, so blockiert ein „Gubbel“ den Trail mehrere Minuten und will seinen Platz partout nicht räumen. Erst als wir personelle Verstärkung durch eine weitere Wandergruppe erhalten, sieht er sich in der Unterzahl und tritt freiwillig den Rückzug an.
Kurz dachte ich der schlimmste Teil des Anstiegs zum Sentinel Dome sei geschafft, da wurde ich eines Besseren belehrt. Wir ackern uns einen krümeligen Hügel hinauf und stehen dann erst am Rande des steinernen Teils des Sentinel Dome. Doch das Ende bzw. der Gipfel ist in Sicht und so nehmen wir die letzten Höhenmeter motiviert in Angriff.
Oben angekommen sind wir wahrlich nicht allein, doch der Rundumblick ist irre. Alle „berühmten“ Formationen sind sichtbar, Half Dome, Clouds Rest, El Capitan, Vernal und Nevada Falls, die Yosemite Falls …
Ich bin froh und glücklich, im Vorfeld so intensiv zum Yosemite recherchiert zu haben, sonst wären wir hier auf dem Sentinel Dome nie gelandet. Wir genießen diesen tollen Spot und befinden dann, dass wir den Taft Point und den auf dem Weg liegenden Roosevelt Point heute nicht mehr besuchen werden. Es wird minütlich voller und irgendwie zieht es uns ins Valley und zu unserer traumhaften Site. Man muss ja auch noch Ziele für das nächste Mal haben J - ein weiterer Hike auf der Glacier Point Road steht dann in jedem Fall weit oben auf der Liste.
Bergab geht es deutlich flotter zurück zur Womoline, deren Parkplatz direkt beim Hinausfahren frisch besetzt wird. Auf dem Weg in Richtung Valley kommen wir am Sentinel Dome Trailhead vorbei, wo ein regelrechter Kampf um die Parkplätze tobt. Wir beglückwünschen uns wiederum zu unserem frühen Start heute Morgen und halten auf den Wawona Tunnel zu.
Über die Zufahrt hatte ich mir im Vorfeld einige Gedanken gemacht, ist der Wawona Tunnel doch einer der engsten Wege mit der niedrigsten Tunnelhöhe in das Valley hinein. Doch nachdem ich sehe, wie ein Reisebus vor uns mit Karacho durch den Tunnel rauscht, verfliegen meine Sorgen. Ja, man muss sich gut links von der Fahrbahnmarkierung halten – daneben wird es sofort sehr flach – doch der Platz ist mehr als ausreichend, auch mit Gegenverkehr.
Nach der Ausfahrt aus dem Tunnel wartet der berühmte „Tunnel View“. Einen Parkplatz direkt nach der Ausfahrt zu bekommen, hatte ich schon im Vorfeld für uns abgehakt, auf wildes Rangieren mit unserem großen Gefährt und dem beständigen Kommen und Gehen hatte ich keine große Lust. So lotse ich meinen Männe etwa 300 m weiter und lasse ihn auf dem breiten und asphaltierten Seitenstreifen komfortabel einparken. Womolines Augen (Seitenspiegel) werden noch eingeklappt und ab geht’s.
Dem Männe gefällt dieser ikonische Viewpoint noch besser als der Glacier Point. Wie muss das hier erst im Frühsommer aussehen, wenn die Wasserfälle „in full swing“ sind, wie der Amerikaner sagen würde.
Nach einiger Zeit reißen wir (bzw. ich vielmehr den Männe) los und wir machen uns auf den Weg zum Lower Pines CG zu unserer Site. Der Verkehr im Valley hält sich in Grenzen, klar ist viel los und allzu viele Parkspots entlang der Straße sehe ich nicht, aber wir stehen zu keinem Zeitpunkt in dem berühmt berüchtigten Valley-Stau.
Das Check-In Häuschen ist leer mit dem Vermerk, dass in 20 min wieder jemand zugegen sei. Kein Problem, wir düsen direkt durch bis zu unserer Site und machen uns ob unserer unfassbaren Glückes hier sein zu dürfen, direkt einen Anleger auf J
Bei unserem Check-In ein halbes Stündchen später werden wir nicht nur zu unserer Site beglückwünscht, von der man direkten Blick auf den Half Dome im Abendlicht hat und nur 10 Sekunden bis in den Merced River braucht, sondern bekommen noch eine kompetente Beratung zu den „Strenuous“ Hikes im Valley on top.
Schon immer wollte ich den Panorama Trail vom Glacier Point in das Valley hinunterlaufen, doch ohne den verkehrenden Glacier Point Bus hatte ich dieses Vorhaben schon innnerlich ad acta gelegt. Mein Männe hingegen nicht. Seit Tagen bearbeitete er mich schon, dass wir doch einfach den Four Mile Trail zum Glacier Point hochlaufen könnten, um dann wie geplant hinunterzuwandern.
4 Meilen … nur aufwärts … 1000 Höhenmeter … und dann noch entspannt 9 Meilen dranhängen, um die 1000 Höhenmeter wieder hinabzusteigen … ist klar. Auf meine Frage, ob er wüsste, wann wir dann aufstehen müssten, meinte er nur „Jau, so gegen 4:30 Uhr – müssen ja noch was frühstücken vorher“.
Ratet, wann morgen an Tag 07 der Wecker klingelt … J
Wander-Bilanz des Tages: Gute 3 Meilen und 270 (anstrengende) Höhenmeter.
Lieben Gruß
Annika
Hey Annika,
oh da freu ich mich schon auf den nächsten Tag!!! Da wir beim Permit für die Cables am Half Dome leider leer ausgegangen sind, ist Eure anstehende Wanderung 4-Mile & Panorama Trail unsere Ersatztour dafür….jedenfalls eine der geplanten Touren während dem Aufenthalt im Yosemite. Wir hatten 2015 noch das Glück, mit dem Shuttle zum Glacier Point zu fahren und sind damals den Panorama Trail gewandert. Das war wunderschön, aber schon viiiiiel zu lange her.
Deine Fotos sind superschön und der Glacier Point im Morgenlicht einfach unbeschreiblich. Danke dafür!
Liebe Grüße Tina
I´d rather have a passport full of stamps than a house full of stuff !
Liebe Tina,
ich will nicht zu viel für den kommenden Tag vorweg nehmen, aber .... es war grandios :) Macht das unbedingt - so vielseitig, so viele Aussichtspunkte, so friedlich zwischendurch und das mitten im Valley! Die Länge liegt zwar am oberen Ende meiner persönlichen Komfortzone für einen Tageshike (alles bis 25 km geht gut, danach wird es bäh), aber der Stolz, wenn man heil wieder auf der Site eintrudelt, ist ja auch etwas wert :)
An den Half Dome haben wir uns noch nicht getraut, die Steigung an den Cables ist uns von Bildern / Videos her zu krass. Mit Höhenangst ist das wohl auch nicht die beste Idee xD vielleicht klappt es ja noch für euch bei der Tageslotterie?
Lieben Gruß
Annika
Guten Morgen Annika,
das steigert die Vorfreude direkt noch mehr !
Geht mir mit der Länge in etwa genau wie Dir, aber das Erlebnis ist die Anstrengungen immer wieder wert.
Ich habe meine Höhenangst inzwischen zum Glück abtrainiert, das habe ich am Angels Landing und an einigen Berggipfeln in Österreich getestet. Aber ich verstehe das, man muss da seine eigenen Grenzen kennen und auch unbedingt einhalten.
Wir werden es auf jeden Fall versuchen mit der Tageslotterie.
Liebe Grüße Tina
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Hallo Annika
Du hast einen sehr schönen, lockeren Schreibstil....gefällt mir sehr gut . Da bin ich gleich noch mehr gespannt auf den nächsten Tag
Wir waren 1991 im Yosemite, leider hab ich kaum noch Erinnerungen dran, eigentlich nur an den El Capitan und Half Dome.....obwohl es sehr beeindruckend war.
Viele Grüße Gabi
Hallo Annika, mit Freude verfolge ich Deine Tagesberichte. Deine Recherche für das Yosemite Valley hat sich ja wirklich gelohnt und die Fotos sind großartig.
Wir planen das Valley für unsere Reise im Sommer 2025 ebenfalls ein und wir werden Deine Erfahrungen bestimmt einplanen.
Viele Grüße
Margret
Moin in die Runde,
schön, dass ihr alle fleißig mitlest, dann macht das Schreiben gleich noch mehr Spaß!
Angels Landing ist bestimmt unglaublich, wenn man sich nicht bibbernd an den Ketten festhalten muss xD vielleicht kommt das mit den Jahren. Je länger der Urlaub andauert, umso resistenter werde ich auch tatsächlich gegen Höhe, an dem "Ab"trainingseffekt könnte also echt was dran sein, Tina
Lieben Gruß
Annika
Hey Annika, lese mich grad durch deinen Bericht. Als ich deine Beschreibung vom Weg zum Glacier Point gelesen habe war ich auch sofort wieder da. Wir sind 2019 auch recht früh und ohne zu frühstücken los und genau dieser erste Anblick vom Half Dome hat sich bei mir auch so eingebrannt, einfach mega schön. Wir sind dann auch zum Sentinel Dome rauf und waren begeistert.
Und mit eurer Site hattet ihr ja echt Glück mit dem tollen Blick.
Gruß Alex
Einmal USA und infiziert!
Moin Alex,
schön, dass du mit an Bord bist!
Ich kannte die krassen Bilder von den Haarnadelkurven am Half Dome und auch am Glacier Point zwar von diversen Instagram und Blogger-Posts, aber dass mich der Anblick dann trotzdem so umhaut, hätte ich nicht gedacht. Einfach ein tolles Stückchen Erde, das mit den Geräuschen und Gerüchen (das bleibt mir von Wanderungen immer besonders intensiv in Erinnerung, der "frisch am Morgen inkl. Pinien"-Geruch :) ) erst so richtig zum Leben erwacht.
Lieben Gruß
Annika
Hi Annika, wir haben im Mai 23 vom "Tunnel View" das nachfolgende Bild gemacht, wie du so schön geschrieben hast, Wasserfall in "full swing".
Moin Stefan,
und auch noch ein bisschen Schnee auf den Gipfeln im Frühsommer in den Yosemite ... steht auf der kilometerlangen Liste hrhr.
Lieben Gruß
Annika
Servus Annika,
ich kenne den Park zu beiden Jahreszeiten. Beide haben Vorzüge. Im Frühjahr kann es nur sein, dass der mühsam ergatterte Stellplatz dann wegen Überflutung storniert wird. Manche Wege sind dann auch gesperrt weil zuviel Wasser ist.
Herzliche Grüsse, Tom
Reisen Sie langsam. Wenn Sie Zeit für acht Länder haben, nehmen Sie fünf. Wenn Sie durch fünf hetzen wollen, nehmen Sie drei. Kate Simon
Wow, tolle Bilder! Wir hatten zu wenig Yosemite, umso schöner, hier ein wenig mehr sehen zu können. Weiter so.