07. Tag: Wandern im Bryce Canyon - die "Figure Eight" (22.8.2014)

Brrr! Als wir aufwachen, hat es nur 15°C im Wohnmobil, draußen ist das Thermometer über Nacht gar auf 8°C gesunken. Dafür haben wir aber super geschlafen. Leider hat über Nacht der Kühlschrank wieder aufgehört zu kühlen. Jedes Mal, wenn ich nachts wach wurde, ging mein Blick unwillkürlich zum grün blinkenden Störungslicht. Deshalb aufzustehen habe ich ehrlich gesagt nicht eingesehen. Angesichts der Außentemperaturen denke ich mal nicht, dass uns unsere Lebensmittel allzu schnell verderben. Und wenn alle Stricke reißen, haben wir ja noch den Eisblock, der in der Zwischenzeit im Gefrierfach überwintert.

Heute Morgen lassen wir es erst mal langsam angehen und lassen unseren kleinen "pre-teenager" ein bisschen ausschlafen. Zunächst hatten wir vor, den Sonnenaufgang am Canyon Rim anzuschauen, allerdings ist es ziemlich bewölkt und wir entscheiden uns dann doch, lieber im Bett zu bleiben. Das fällt uns angesichts der frostigen Temperaturen nicht wahnsinnig schwer. Irgendwann rafft sich dann Marcus doch auf, und kocht am Herd Wasser für den Kaffee. Bilde ich mir das nur ein oder wird es dadurch gleich eine Spur wärmer? Da wir heute eine recht anstrengende Wanderung vor uns haben, gibt es (zum einzigen Mal seit Urlaubsbeginn im Wohnmobil) ein richtig deftiges amerikanisches Frühstück mit Bacon, Eggs und English muffins. Für das Mittagessen packen wir nur ein bisschen Obst und Müsli-Riegel ein. Dann heißt es die Klamotten so zusammenzustellen, dass wir uns im Tagesverlauf immer weiter entblättern können und los geht's!

Von der Campsite aus können wir zu Fuß zum Rim gehen - das dauert nur etwa eine Viertelstunde. Dann steigen wir vom Sunrise Point über den Queen's Garden Trail hinab in die Hoodoos - diese wundersamen Türmchen aus Sandstein, die Wind und Wetter hier über die Jahrtausende geformt haben. Auch wenn das Wetter seine üblichen Kapriolen macht und der Wind immer wieder drohend schwarze Wolken an den Canyonrand drückt, genießen wir gleich von Anfang an spektakuläre Aussichten.

Auf dem Abstieg vom Viewpoint über den Queen's Garden Trail ist es noch recht voll. Wir haben den Eindruck, dass hier auch viele Tagestouristen unterwegs sind, die in Turnschuhen oder Sandalen über den rutschigen Untergrund kraxeln und deshalb nur ein paar Spitzkehren nach unten wandern. Zwar ist es hier noch nicht so übervölkert wie am Riverside Walk im Zion zur Mittagszeit, aber wir fühlen uns einfach wohler, wenn wir die Natur ein bisschen mehr für uns haben.

Nach knapp drei Kilometern erreichen wir die Navajo-Loop und den dort abzweigenden Verbindungspfad zur Peek-a-boo-Loop. Man geht dazu zunächst einen Pfad entlang, der in Richtung Tropic führt. Hier sind wir plötzlich fast ganz alleine unterwegs. Ganz alleine? Naja, das ist nicht unbedingt wahr, denn sobald wir es uns im Schatten zu einer kurzen Pause gemütlich machen, bekommen wird natürlich gleich Besuch: Da legt sich jemand richtig ins Zeug, um ein paar Krümel Müsli-Riegel abzubekommen:

Dann geht es weiter durch ein Waldstück in Richtung Peek-A-Boo-Loop. Wenn man vom Queen's Garden Trail aus kommt, kann man wählen, in welche Richtung man die Loop laufen möchte, wir entscheiden uns, links abzubiegen (hatte ich das irgendwo als Empfehlung im Kopf? Keine Ahnung.) Wahrscheinlich ist die Laufrichtung aber egal, denn was uns über die folgenden knapp fünf Kilometer erwartet, ist eine regelrechte Achterbahnfahrt - "ooh-aah"-Momente inklusive. Der Trail windet sich durch den Canyon, mal thronen wir über den Hoodoos, mal laufen wir zwischen durch, mal sind wir gefühlt fast wieder am Fuß des Canyons angelangt. Eigentlich ist es ganz gut, dass immer mal wieder ein paar Wolken die Sonne verdecken, dauerhaft möchte ich hier am späten Vormittag nicht in der sengenden Hitze laufen.

Immer, wenn man meint, es kann nicht mehr schöner werden, kommt man um eine Kurve und die Aussicht ist noch genialer, die Farben noch schöner und die Felsformationen noch beeindruckender. Dazu schrecken wohl die Höhenmeter viele Wanderer ab, so dass wir hier unten nicht merken, dass am Canyon-Rand oben Hochsaison herrscht.  Bis auf eine amerikanische Familie treffen wir auf dieser Strecke aber auch nur deutschsprachige Wanderer. Ich frage mich wirklich, ob die Nationalparks und die Wohnmobilvermieter hier wirtschaftlich überleben könnten, wenn es keine deutschen Touristen gäbe.

Wir haben vor, die so genannte figure eight zu laufen, eine Kombination aus Queen's Garden, Navajo Loop und Peek-a-boo-Loop-Trails, die sich über ca. 10 Kilometer durch den Canyon erstreckt. Deshalb machen wir unterhalb des Bryce Point, dessen Aussichtsplattform majestätisch über uns thront, nur eine kurze Mittagspause und gehen dann den zweiten Teil der Schleife wieder in Richtung Verbindungspfad zur Navajo Loop zurück. Tja, wer absteigt, muss letztendlich auch wieder aufsteigen: Es gibt zwei Möglichkeiten, wieder an den Rim zu kommen, und obwohl wir jetzt schon einige Stunden unterwegs sind, entscheiden wir uns für die imposante Wall Street, auch wenn dieses Teilstück etwas steiler ist. Durch turmhohe Hoodoos und Felswände geht es in kurzen, giftigen Serpentinen nach oben zum Sunset Point. Als wir gegen Ende des Aufstiegs zurückschauen, erscheinen uns die anderen Wanderer unter uns wie Ameisen. Laut Wanderkarte haben wir auf der ganzen Strecke "nur" 500 Höhenmeter zurückgelegt, nach dem Gefühl meiner müden Beine zu urteilen müssen es aber viel mehr gewesen sein...

Weil wir nun am Sunset Point aus dem Canyon gestiegen sind, wollen wir uns noch kurz die Bryce Canyon Lodge anschauen (ein traumhaftes Hotel mitten im Park). Obwohl wir sehr glücklich mit unserem Wohnmobil sind, erscheint uns ein Urlaub in einem der rustikalen Cottages, die zum Lodge gehören, aber auch eine Reise wert. Vielleicht beim nächsten Besuch? Keine Ahnung allerdings, wie früh man dann schon mit der Buchung dran sein muss! Wahrscheinlich werden die Zimmer hier verlost.

Der General Store, der sich in der Nähe der Lodge befindet, hat uns gestern schon gefallen, als wir unseren Eisblock besorgt haben. Also beschließen wir, uns für die tolle Wanderung noch mit einem Softeis zu belohnen, das wir selbst am Automaten portionieren dürfen. Es gibt nur kleine und große Bechergrößen, aber dem "Eisberg", den man in die Becher füllt, sind keine Grenzen gesetzt. "Just go ahead and serve yourselves", meint der nette junge Mann an der Kasse.

Nachdem wir bereits den ganzen Tag über immer wieder besorgt die dunklen Wolkenbänder beäugt haben, die phasenweise über den Canyon zogen, haben wir die Wanderung am Ende recht gut getimt. Kaum waren wir gegen 15.00 Uhr wieder am Wohnmobil, fängt es auch schon an zu regnen. Marcus und ich duschen trotz bedenklich geringem Frischwasserstand noch kurz (Tank zeigte bereits gestern nur noch ein Drittel Füllstand an) und dann gehen wir - da kennen wir uns mittlerweile aus - mal wieder ins Visitor Center, wo Lilly und Niki ihre Junior Ranger Unterlagen vorlegen, dem Ranger brav den Spruch nachsagen (natürlich mit erhobener Hand) und dann mit einem neuen Abzeichen belohnt werden. Als ich erwähne, dass wir als Familie die ganze figure eight gewandert sind, gibt es für alle noch gratis ein Wanderabzeichen ("I hiked the Hoodoos") dazu. Yeah!

Immerhin hat es mittlerweile aufgehört zu regnen, so dass wir unser übliches Abendprogramm starten können - Lagerfeuer und Abendessen unter freiem Himmel. What a life!