Den Morgen lasse ich erstmal ruhig angehen. Es ist etwas frisch und so probiere ich erstmals die Heizung aus. Das Gebläse arbeitet anständig, so anständig, dass der Fußboden großflächig mit Bauspänen übersät ist. Wenn man eine neue Wohnung bezieht sagt man, man muss sie erstmal „trocken wohnen“. Ein neues Wohnmobil muss man wohl erstmal „sauber fahren“. Nicht wirklich störend, aber schon bemerkenswert, was da im Laufe der Zeit alles aus den Ritzen rieselte, vorzugsweise auf mein Bett.... Irgendwann war es warm genug und ich genieße mein zweites Womo-Frühstück. Tee, Corn-Flakes, Obst, Brot – wie zuhause und total gemütlich.
Nun gibt es noch 2 Aufgaben für mich. Erstens: Wäsche waschen, das ist kein Problem. Die zweite Aufgabe ist schon schwieriger. Gestern habe ich es nicht geschafft, den Warmwasser-Boiler in Gang zu setzen. Man hörte zwar deutlich, dass die Zündung ansprang, aber irgendwie lief kein Wasser in den Boiler und das, obwohl ich doch beide Absperrventile geöffnet habe. Nicht zuletzt aufgrund der Beiträge hier im Forum bin ich vorsichtig, denn ich will nichts beschädigen. Also rufe ich die Hotline von Road Bear anzurufen. Dort wird mir schnell um kompetent geholfen. Es gibt noch ein drittes Ventil, das tief unten versteckt ist und auch geöffnet werden will.
Die Hotline von Road Bear kann ich mit sehr gut bewerten. Ich hatte keine lange Wartezeiten und meine Probleme (neben der Heizung hat sich im weiteren Verlauf der Reise das Radio „aufgehängt“) konnten nach kurzen Telefonaten schnell gelöst werden.
Noch ein Wort zum Graceland RV Park: Er ist wirklich schon gelegen. Ruhig und grün. Irgendwann fiel mir auf, dass man den ganzen Tag über mit Music in gedrosselter Lautstärke beschallt wird. Ich bin mit Jailhouse Rock ins Bett gegangen und bei Love me Tender aufgewacht (vielleicht war es auch anders rum, ich weiß es nicht mehr und da ich alleine unterwegs war, muss ich auch nicht mit Love me tender ins Bett gehen).
Jetzt ist es aber höchste Zeit für die Graceland-Führung. Als Campground-Besucher darf man sein Wohnmobil auf dem Besucherparkplatz umsonst parken (kostet sonst 10 USD). Wenn das kein Ansporn ist. Also buche ich gleich die große Tour (Graceland Mansion + Elvis Ausstellung + Flugzeuge). Für 53 USD ist das ja schon fast ein Schnäppchen. Aber was soll’s, wenn man schon mal da ist….
Eins ist klar: Elvis ist ein typischer Vertreter des amerikanischen Traums. Aufgewachsen in ganz ärmlichen Verhältnissen in Mississippi, sind die Eltern irgendwann nach Memphis gezogen, um dort ihr Glück zu finden und lebten zunächst auch dort in einer sehr einfachen Sozialwohnung. Der Junge hatte Talent und Ausstrahlung, keine Frage. Aber ich glaube, er hat Glück gehabt, dass er in Memphis mit seiner musikalischen Infrastruktur aufgewachsen ist. In Omaha oder South Dakota wäre es sicherlich schwierig geworden. Aber wir wissen ja, woraus Erfolg besteht: Talent/Können, Hartnäckigkeit und zur rechten Zeit am rechten Ort.
Gar nicht so bombastisch: Graceland
Idylle im Garten (meiner Tochter würde es gefallen)
Aber ich schweife ab: Warum ist er die Verkörperung des amerikanischen Traumes? Arme Verhältnisse, dann zu Erfolg gekommen. Ein wenig rebellisch, aber nicht so, dass es gefährlich werden könnte, Liebe zu den Eltern, insbesondere zur Mutter, legte Wert auf Familie und Freunde, war also recht bodenständig. Und wenn man es geschafft hat, dann darf man sich auch was leisten: Ein Haus mit Reitanlage hinten im Garten, mit allen möglichen Spielereien (Squash-Court), Golfcarts, mit denen er auf dem Gelände Rennen gefahren ist und natürlich Autos. Ein knappes Dutzend durfte es schon sein. Daneben dann noch zwei Flugzeuge, die für Tourneen benutzt wurden (und das muss man ihm lassen, er war viel auf Tournee). Ein großes für Elvis und Anhang, und ein kleineres, das als Vorhut diente und immer vorweg geflogen ist.
Was lernen wir in der Ausstellung? Friede, Freude, Eierkuchen. Kein kritisches Wort über seinen Medikamentenmissbrauch, der ihn am Ende das Leben gekostet hat, die Scheidung usw. Trotzdem: ein lohnenswerter Besuch. Ich habe hier vielmehr Zeit verbracht, als ich eigentlich wollte.
Und was habe ich in Memphis nicht gemacht? Ich hätte mir gerne das Stax Museum of American Soul Music angeschaut (sollen eine gute Ausstellung über schwarze Musik haben). Eine Gibson Werksbesichtigung hätte ich gerne gemacht (auch wenn ich nicht Gitarre spiele) und am Ende wäre ich noch gerne über die Beale Street geschlendert. Naja, vielleicht ergibt sich ja nochmal die Möglichkeit…
Nachdem ich am frühen Nachmittag meine Besichtigung des Graceland-Komplexes abgeschlossen habe, mache ich mich auf den Weg nach Little Rock. Vorher rufe ich noch kurz beim Downtown Riverside RV Park, den ich vorgebucht hatte, an. Ich erfahre, dass die Rezeption bis 18:00 Uhr besetzt ist und ich will gerne vorher ankommen. Also ist etwas Beeilung angesagt. Memphis liegt auf der Ostseite des Mississippis, der hier die Bundesstaaten Tennessee und Arkansas trennt. Kaum bin ich auf der Brücke stelle ich fest, dass es heute eine etwas unruhige Fahrt werden wird. Es ist recht windig und so ein Wohnmobil ist deutlich windanfälliger als ein PKW. Da muss man das Lenkrad schon mit beiden Händen festhalten. (später sollte ich noch einige Tage mit deutlich mehr Wind erleben). Ich fahre also recht zügig, aber mehr als 65 Meilen /Std. ist nicht drin (auch wenn man 70 dürfte) und werde trotzdem von allen Trucks überholt. Ich frage mich, wie die LKW-Fahrer das machen. Die Dinger scheinen wie ein Brett auf der Straße zu liegen.
Man merkt auch, dass sich westlich des Mississippis die Landschaft merklich ändert. Hier fängt der Mittlere Westen an. Anstelle leicht gewellten Landes in Kentucky oder Tennessee ist es hier deutlich flacher. Es gibt entweder Prärie, kleine Wälder oder große Felder.
Genau um 18:00 Uhr komme ich am Campground an. Und es war gut, dass die Rezeption noch besetzt war, denn für den Stromanschluss brauchte ich einen 50 Amp. Adapter, den mir die Dame glücklicherweise leihen konnte. (Die Wohnmobile haben bekanntermaßen nur 15 und 30 Amp. Stecker an Bord. Am nächsten Morgen fahre ich zu Camping World und kaufe mir einen 50 Amp. Adapter – im Nachherein völlig überflüssig. Zum einen war es der einzige Platz mit ausschließlich 50 Amp Anschluss und zum anderen hätte man durchaus auf den Stromanschluss verzichten können. Dafür gibt’s ja schließlich die Bordbatterie).
Der Downtown Riveside RV Park (ratet mal, welches mein RV ist)
Der Campinglatz liegt in North Little Rock, direkt am Arkansas River, gegenüber der Innenstadt von Little Rock. Direkt am Campground ist eine stillgelegte Eisenbahnbrücke, die zu einer Fußgängerbrücke umfunktioniert wurde und über die man nach Little Rock spazieren kann. Abends wird diese Brücke in wechselnden Farben angeleuchtet, das sieht ganz nett aus. Die milden Temperaturen motivieren, sofort mit der Erkundung zu beginnen. In den letzten Jahren wurden die Flussufer renaturisiert und entlang des Flusses Grünanlagen angelegt. Diese erstrecken sich wohl weit ins Umland hinein, so zeigen es zumindest die Karten, die entlang der Wege aufgestellt sind. Es gibt auch einen Fahrradverleih und man könnte sicher einen Tag damit verbringen, etwas flussaufwärts zu fahren und die Landschaft zu erkunden (noch eine Aktivität aus der Abteilung „Was man alles hätte machen können“). Im Stadtgebiet werden diese wirklich schön angelegten Grünanlagen lebhaft genutzt von Spaziergängern, Radfahrern, Joggern und von Kindern, die auf Pappen die Grashügel runterrutschen. Die brauchen hier im Winter mal anständig Schnee, dann müssen sie auch nicht im Sommer die Grasflächen mit ihren Pappen ruinieren.
Ich gehe also weiter und komme in den River Market District, ein in den letzten Jahren aufgemotztes Viertel (im Wesentlichen nur eine Straße mit ein paar Querstraßen) mit Restaurants, Bars, einer Bibliothek und einem Museum. Alles ganz nett, sehr beschaulich und eigentlich schon provinziell. Aber Arkansas ist halt ein weitgehend landwirtschaftlich geprägter Bundesstaat und der Ballungsraum Little Rock mit seinen immerhin 300.000 Einwohnern passt sich da irgendwie an. Viel mehr, als das, was ich in 2 Stunden gesehen habe, hat LR wohl auch nicht zu bieten. Oder wie steht es im Lonely Planet: „Wer weiß, wo er suchen muss, wird seine Zeit in der Stadt genießen“. Little Rock steht natürlich voll im Zeichen seiner berühmtesten Bürger: Es gibt die William J Clinton Library and Museum, die President Clinton Avenue und den Bill and Hillary Clinton National Airport. Ganz schön viel Personenkult um jemanden, der noch lebt. (Steigerung: es gibt ja auch eine Insel, die ihren Flughafen nach ihrem noch aktiven Fußballstar benannt hat).
William J Clinton Library and Museum
Im Rivermarket District kaufe ich mir noch einen Salat ToGo, den ich dann in meinem Wohnmobil esse und schaue mir dabei noch etwas die Shilouette der Stadt an. Etwas störend dabei ist die Autobahnbrücke. Diese geht direkt am Campground vorbei und mitten durch die Stadt. In Deutschland baut man Autobahnen möglichst weit um Städte herum, in den USA möglichst mitten durch die Innenstadt. Trotzdem ist der Campground eine gute Wahl, wenn man in Little Rock übernachten will.
Die Clinton Pedestrian Bridge am Abend
Skyline von Little Rock am Abend
Moin,
Graceland ist ja wirklich mal ganz sehenswert und, wie du schreibst, gar nicht so bombastisch .
Interessant, so ein schön ausführlicher Überführungsbericht. Du hast dich ja schon ganz gut eingelebt, wie es scheint.
Herzliche Grüße
Sonja
Trakki.Reisen
Hallo Sonja,
man muss das Graceland Anwesen natürlich in die Zeit, d.h. in die 1950er Jahre einordnen und das Haus war ja schon einige Jahre alt, als Mr. Presley es gekauft hat. Für damalige Verhältnisse war es sicher der pure Luxus. Und auch nicht jeder hat einen Squash-Court und eine Pferdekoppel im Garten.
Viele Grüße
Olaf
Hallo Olaf,
schöner und ausführlicher Reisebericht aus einer Ecke, die ich gar nicht kenne. Vielen Dank für die schönen Eindrücke. Und wieder scheint sich zu bestätigen, dass man selten an einem Ort auf so einer Reise genüg Zeit hat....
LG Mike
Liebe Grüße, Mike
Experience!
Scout Womo-Abenteuer.de
Hallo Mike,
ja, das mit der Zeit ist leider so. 5 Wochen für die Strecke Middlebury- San Francisco hören sich lange an. Aber wenn man bedenkt, dass man zu der Jahreszeit einen 'südlichen Halbbogen' fahren sollte, dann muss schon schon jeden zweiten Tag unterwegs sein, um die Steecke zu schaffen.
Kleiner Trost: wenn man einen Reisebericht wie diesen schreibt, dann werden alle Erinnerungen sofort wieder wach und man erlebt die Reise ein zweites Mal.
Liebe Grüße
Olaf