Wie angedroht, der Wecker klingelt um 4.15 Uhr Kurzes Frühstück und dann geht’s um 5 Uhr los. Wir sind längst nicht die Einzigen die schon unterwegs sind…und alle scheinen dasselbe Ziel zu haben - Logan Pass. Die Going-to-the-Sun Road, die dort hoch führt und den Westteil des Glacier NP mit dem Ostteil verbindet, darf nur mit Fahrzeugen bis zu einer maximalen Länge von 21ft befahren - gut haben wir den Jeep - sonst müssten wir auf die Shuttles warten, die erst gegen 8 Uhr starten meine ich. Kurz nach 5.30 Uhr sind wir am Ziel und sind längst nicht die ersten hier oben - finden aber noch problemlos einen Parkplatz. Kurz darauf treffen wir auf Mike (eagle eye) mit Familie. Wie schön treffen wir uns heute persönlich
Als sich herausstellte, dass wir dieses Jahr zur gleichen Zeit im Glacier NP sein werden, haben wir beschlossen, gemeinsam den Highline-Trail zu wandern - ein Must- du im Glacier NP. Wir marschieren also zu Acht los und kommen zügig voran. Erwartungsgemäss sind wir nicht die Einzigen hier auf dem Highlinetrail. Es ist aber auch nicht total überlaufen - da haben wir schon ganz andere Wanderungen erlebt (auch in der Schweiz). Der Weg ist angenehm zu gehen - bissel hoch bissel runter. Teilweise etwas ausgesetzt aber durch die breite des Weges ist das kein Problem und man kann auch gut mit entgegenkommenden Wanderern kreuzen. Das montierte Seil hier am Anfang des Weges finde ich etwas übertrieben - aber wer Höhenangst hat, fühlt sich damit evtl. etwas sicherer. Wir sind hier oberhalb der Baumgrenze und haben damit während der ganzen Wanderung einen wunderbaren Weitblick
- obwohl die Sicht heute etwas dissig ist - vermutlich durch die Waldbrände in der Nähe. Zudem ist es bewölkt - aber die Sonne kämpft...mal sehen wer gewinnt heute
Wir legen eine erste kurze Pause ein - Mike und Familie haben noch nicht gefrühstückt. Ihre Anreise von der Westseite her war deutlich länger als unsere vom Osten.
Unser nächstes „Ziel“ ist der Grinell Glacier Overlook. Ein kurzer aber steiler Abstecher zu einem Aussichtspunkt oberhalb des Highline Trails. Schon beim Aufstieg frischt der Wind auf und oben angekommen pfeift uns ein heftiger Wind um die Ohren und ein leichter Regen setzt ein. Nanu meine App sagte doch kein Regen Tia hier bestimmen die Berge das Wetter - nicht die WetterApp
Wir machen erst mal eine kurze Pause und geniessen den Ausblick runter zum Grinell Glacier/Lake
Aus verschiedenen Berichten zu dieser Wanderung weiss ich aber, dass wir nicht hier am vermeidlichen Aussichtspunkt bleiben, sondern noch ein Stück weiter rechts den Berg hoch kraxeln sollten. Von dort oben soll man nämlich noch einen viel bessern Blick haben. Mein Mann und der Grosse wollen davon nix wissen. Auch gut, dann brauchen wir anderen unsere Rucksäcke nicht mitzuschleppen. So marschieren wir anderen 6 los und kraxeln den Berg weiter hoch. Einen richtigen Weg hat es hier nicht mehr - aber viel falsch machen kann man nicht - ausser natürlich sich zu weit an den Abgrund zu wagen Der kurze zusätzliche Effort hat sich absolut gelohnt. Von hier oben hat man einen fantastischen Ausblick ins Many Glacier Valley. Ein See reiht sich an den anderen und man sieht Grinell Glacier/Upper Grinell Lake in voller Grösse....wow wie schön
Schon heute, nach unserer Wanderung, werden wir auch dort unten in Many Glacier sein
Jetzt geniessen wir aber erst mal den fantastischen Ausblick von hier oben
Schade nur, dass das Wetter heute nicht ganz so mitmacht, wie wir uns das bisher gewohnt waren. Aber das ist wirklich Jammern auf hohen Niveau bei dem vielen Wetterglück das wir bisher hatten
Mittlerweile sind dunkel Wolken am Horizont aufgezogen - und war da etwa grad ein Donnergrollen in der Ferne zu hören? Quatsch es regnet nicht - sagt doch die App Und das da eben war bestimmt auch kein Blitz
Der Wind frischt weiter auf und wir machen uns dann doch mal lieber an den kurzen Abstieg zu den anderen. Dabei treffen wir auf einem Mountain Goat mit Kitz. Die beiden hüpfen gekonnt den Berg runter. Wir haben ja schon massig Mountain Goats in den Enchantments gesehen - trotzdem ist es immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis, diese wilden Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten - ganz besonders die kleinen süssen Kitze
Zurück bei den anderen beraten wir kurz, ob wir hier was essen wollen oder weiter unten. Da es hier richtig heftig windet, entscheiden wir uns ein Stück den Weg runter Richtung Highline Trail zu gehen und unterwegs ein weniger windiges Plätzchen zum Essen zu suchen. Das finden wir dann auch - direkt am Weg - und motivieren während dem Essen die hochkommenden Wanderer das kleine Stück bis zum Grat unbedingt noch zu gehen - it’s soooo worth it Mittlerweile hat es auch aufgehört mit dem Nieselregen. Ha, die App hatte doch recht - oder doch nicht??
Zurück am Highline Trail angekommen wollen Moritz, Lea und ich noch bis zum Granit Park Chalet laufen. Das ist bereits in Sichtweite und wenn wir schon hier sind, können wir den kurzen Weg von ca. 1.5 km ja auch noch gehen, zumal kaum Höhenmeter zu bewältigen sind. Ich frag unsere Kids - der Kleine will auch mitkommen. Ok dann gehe ich mit den Dreien zum Chalet und die anderen treten schon mal gemütlich den Rückweg an. Kaum sind wir losgelaufen, kommen die anderen uns hinterher. Sie haben sich doch umentschieden und gehen mit uns zum Chalet Anja muss sowieso aufs Klo - genau wie ich - und hier oben am Highlinetrail ist die dafür bevorzugte Privatsphäre etwas schwierig zu kriegen
Das ist dann auch das erste was wir tun, als wir beim Chalet ankommen - alle mal auf die Toilette gehen
Wenn wir schon mal hier sind, können wir ja gleich auch was Trinken. Als wir drinnen sind, um zu bestellen, wundere ich mich schon über die günstigen Preise - heisse Schokolade - ich meine so um 1 Dollar rum. Hmm als ich dann aber genau eine solche bestellen will, meint die Dame - das ist nur das Pulver zum selber anrühren. Das Granit Park Chalet ist eine Selbstversorger Unterkunft (hatte da auch mal als Option angeschaut für 1-2 Nächte, dann aber verworfen - Reservationen hier sind wohl genau so schwer zu kriegen, wie so manches Backcountry-Permit). Man kann hier übernachten und dann die Küche nutzen zum Kochen und dafür werden hier eben so ein paar Kleinigkeiten wie Schokoladenpulver verkauft. Als „fertige“ Getränke gibts hier nur Wasser und Gatorade sowie ein paar Snacks. Schade, so ein Bierchen wäre ganz nett gewesen. Das sind wir von unseren SAC-/Berghütten hier in der Schweiz etwas anders gewöhnt
Tia dann halt nicht - Wasser haben wir genug - ebenso wie Elektrolytegetränke. Ich kaufe trotzdem ein paar Chips und Snickers auf Wunsch vom Kleinen. Für heute Nacht hätte es sogar noch freie Zimmer - für USD 140 pro Person oder Doppelzimmer? Ich hab nicht nachgefragt.
Wir setzen uns draussen an einen Tisch und beraten, ob wir den Loop laufen wollen. Man könnte hier vom Granit Park Chalet abstiegen runter zur Going to the Sun Road und von dort einen Shuttle hoch zum Logan Pass nehmen. Wir entscheiden uns aber dagegen. Der Abstieg soll ziemlich heftig/steil sein - das wäre bestimmt nicht gut für Anjas Knie. Sie ist vorhin schon kurz mal umgeknickt beim Abstieg vom Grinell Glacier Overlook und auch meine Knie vertragen so steile Abstiege nicht besonders gut. So geht’s also von hier den ganzen Weg, den wir gekommen sind, zurück zum Logan Pass.
Kurz nach der Kreuzung mit dem Grinell Glacier Overlook stehen ein paar Wanderer rum...was ist los? Ach ja da war doch was…hier im Glacier NP soll es doch von Bären nur so wimmeln und tatsächlich ein Grizzly - wie aufregend Er wühlt in der Erde direkt unterhalb des Trails. Auf der anderen Seite des Weges vom Logan Pass her warten ebenfalls schon Wanderer. So ein Mist…ich habe die grosse Kamera nicht dabei - und mit dem Handy wird das nix mit Fotos
Naja egal, trotzdem toll das Tier zu beobachten. Wir rätseln was er da wohl sucht? Murmeltiere? Oder hat er da den Wanderer von letzter Woche vergraben
Die Wanderer von der anderen Seite, rufen die ganze Zeit „Hey Bear, Hey Bear“, wie aus dem Lehrbuch Mr. Hey Bear interessiert das aber nicht die Bohne. Er wühlt munter weiter, jetzt in einem Loch oberhalb des Trails. Die Wanderer von der anderen Seite beginnen den Hang hoch zu laufen, um den Grizzly weiter oben zu umgehen. Wir warten noch und da setzt er sich endlich in Bewegung mitten auf dem Weg - indienselbe Richtung in die wir müssen. Er verschwindet in dem kleinen Wäldchen vor uns. Nicht ideal - jetzt sehen wir ihn nicht mehr, wenn wir weiter gehen und wissen nicht wo er ist. Wir warten 5-10 Minuten, dann entscheiden wir trotzdem weiter zu gehen. Mein Mann geht vorne weg ich am Ende. Wir haben beide einen Bärenspray dabei. Mikes Familie hat keinen Bärenspray dabei...noch nicht... das wird sich die nächsten Tage ändern, nach dem was jetzt gleich kommt
Wir unterhalten uns - so dass der Bär uns auf jeden Fall hört. Nach kurzer Zeit dreh ich mich um…kurzer Herzstillstand - der Bär ist direkt hinter mir
Mann wieso hab ich kein Foto gemacht, jetzt wäre er auch fürs Handy mehr als nahe genug
Kleiner Scherz, wenn ich jetzt was in die Hand nehmen sollte, dann wohl eher den Bärenspray. Allerdings zeigt er nicht die geringste Aggressivität und ich hab tatsächlich in dem Moment auch gar nicht an den Bärenspray gedacht. Anja geht vor mir und ich sage möglichst ruhig - hey geht etwas schneller - nicht rennen! - der Bär ist direkt hinter uns
Es dauert etwas bis auch mein Mann ganz vorne mitbekommt, was los ist. Und so gehen wir zügig weiter. Ein Blick zurück - der Grizzly hat den Weg verlassen und ist jetzt unter uns und geht Richtung Wäldchen runter…phuuuu
Wow so fühlt sich das also an, wenn man einem Bären beim Wandern begegnet. Ich weiss nicht wie nahe er war - meine Jungs sagen ja 2 Meter - ich würde eher 5-10 Meter sagen. So oder so viel viel viel zu Nahe
Zum Glück ist niemand von uns in Panik geraten, was sicher auch daran lag, dass wir ja grundsätzlich wussten, dass der Bär in der Nähe ist. Der Bär selber wusste auch, dass wir da sind und ist sich Menschen vermutlich auch gewohnt hier am Highline Trail. So war niemand völlig überrascht von dieser Begegnung. Was ja besonders gefährlich ist, wenn man so einen Bären überrascht. Wir wussten auch, dass es sich nicht um ein Muttertier handelt. Wir konnten ihn ja vorher lange genug beobachten und da waren weit und breit keine Babys in Sicht. Wäre es ein Muttertier gewesen, hätten wir sicher deutlich länger gewartet mit weitergehen. Das alles hat sicher sehr dazu beigetragen, dass die Situation nicht brenzlig wurde und jetzt haben wir was richtig richtig spannendes zu Hause zu erzählen
Wobei Oma und Opa sagen wir das vielleicht besser nicht - sonst entziehen sie uns noch das Sorgerecht
Wir warnen andere Wanderer, die uns entgegen kommen - haltet Augen und Ohren offen. Aus der Ferne können wir den Grizzly 2-3 mal noch sehen, dann verschwindet er aus unserem Blickfeld.
Zwischenzeitlich hat es auch wieder begonnen zu Regnen - jetzt stärker...blöde Wetterapp. Wir ziehen unsere Regenjacken an und dann wieder aus und wieder an. Regenjacken und wandern ist ja nicht so super angenehm - man schwitz einfach zu schnell in den Dingern - trotz Belüfungsschlitze - besonders wenn es wie heute zwar regnerisch aber nicht kalt ist. Auf dem Rückweg merken wir erst, dass wir beim Hinweg doch einiges an Höhenmeter gemacht haben und jetzt erscheinen mindestens mir (und ich glaube auch Mike
) die Passagen bergauf deutlich länger als auf dem Hinweg. Mike unser Kleiner und ich machen das Schlusslicht - die anderen „sprinten“ vorne weg. Aber auch wir schaffen es dann um 17.30 Uhr zurück zum Parkplatz am Logan Pass. Mittlerweile blinzelt sogar die Sonne etwas hinter den Wolken hervor
Phuu wir sind platt. Das waren heute mindestens 26 km…Anjas Uhr sagt sogar ich meine 28 oder 29 km... Mike weiss das vielleicht noch genau. Jedenfalls waren es viele viele viele km und einiges an Höhenmeter. Die längste Wanderung mit so vielen Höhenmeter für meine Familie bisher überhaupt. Wir sind richtig richtig stolz, dass unsere Jungs das so toll mitgemacht haben, fast ganz ohne motzen. Der Kleine brauchte am Schluss schon etwas Motivation - aber wirklich nicht der Rede wert. Ich wäre das im Leben nicht gelaufen mit 9 Jahren - never ever niemals! Aber psssst, das dürfen die Jungs nicht erfahren
Wir verabschieden uns von Mike, Anja, Mo und Lea und freuen uns, sie schon bald in Many Glacier wieder zutreffen. Eigentlich war der Plan heute noch nach Browing einkaufen zu gehen und dann nach Many Glacier zu fahren. Das schaffen wir heute unmöglich mehr uns so lassen wir den Einkauf in Browning sausen. So kaufen wir nochmal kurz was in St. Mary ein - diesmal mit etwas mehr Bedacht - die Preise sind echt unverschämt Andererseits müssen die hier innert 3-4 Monaten während der Touristensaison den Umsatz erwirtschaften, den anderen in einem Jahr erwirtschaften. Dann fahren wir zum St. Mary Campground holen den Anhänger, dumpen und fahren zum Many Glacier Campground im Norden.
Die Strasse die zur Many Glacier Area abzweigt ist Gravelroad und in einem absolut katastrophalen Zustand mit riesigen Schlaglöchern - wirklich kein Spass Zum Glück ist das nur bis zum Eingangsgate des Nationalparks so. Danach ist die Strasse wieder asphaltiert und in gutem Zustand. Am Campground angekommen, haben wir etwas Mühe unsere Site zu finden - irgendwie ist das hier total schlecht ausgeschildert (wird ja jetzt in diesem Jahr auch alles saniert). Wir finden die Site dann aber doch noch. Eine sehr schöne grosse Pull-thru Site
Gott sei dank keine schwierigen Parkmanöver mehr heute nach diesem langen Tag
Ein paar Pasta mit Fertigsause in die Pfanne gehauen und dann gehts ab ins Bett. Das haben wir uns heute echt verdient. Ein richtig toller und aufregender Tag, der mit Sicherheit unvergessen für uns alle bleibt
Wow! Ein toller Bericht!
Wir haben den Grinnel Glacier hike auf dem Programm, mit der Fahrt vom Many Glacier mit dem Boot. 2025 wird ja alles eher "eng", mit der Boot Reservierung haben wir zumindest eine Zufahrberechtigung und dürfen am Many Glacier Hotel parken.
Aber der Highline Trail sieht auch toll aus, beides an zwei hintereinander liegenden Tagen scheint mir aber was viel.
Das mit dem Bären ist schon krass, habe allerdings zum Grinnel Glacier Hike auch "böse" Grizzly Geschichten gelesen. Grds. muss man wohl durchaus aufmerksam sein und mit dem notwendigen Respekt / Vernunft.
Ich freue mich auf Deine weiteren Berichte!
Hi Regina
Das machen wir in zwei Tagen dann
Die anderen Hikes (Ptarmigan Tunnel und Iceberg Lake) die wir dort noch machen wollten, waren wegen Grizzly Aktivitäten gesperrt - auch etwas was man auf dem Schirm haben muss im Glacier NP und vor allem in der Many Glacier Area - das kommt häufiger vor.
Du könntest übrigens den Highlinetrail bis zum Many Glacier via Swiftcurrent Pass laufen - dafür bräuchte man aber ein Shuttle oder zwei Autos - oneway sind das 24km. Haben wir auch mal überlegt - wir hätten ja sogar zwei Autos gehabt mit Mike und Familie. Aber logistisch wär das trotzdem recht aufwendig gewesen, und wir haben es dann sein lassen.
Ja das stimmt schon - gelegentlich ist der Trail auch gesperrt wegen der Bären. Ohne Bärenspray sollte man sich dort im Glacier NP wirklich nicht wandern - auch wenn die Wahrscheinlichkeit ihn zu brauchen äusserst gering ist - wenn man denn überhaupt noch so geistensgegenwärtig reagieren kann.
Das könnt ihr ja spontan entscheiden. Was habt ihr denn für ein Womo gemietet? Zum Logan Pass kommt man höchstens mit sehr kleinen Wohnmobilen hoch - max. 21ft...oder dann Shuttle. Grundsätzlich kann man auch nur einen Teil des Highline Trails gehen und dann umkehren. Was wir auch sehr schön fanden, war der Hidden Lake Overlook - das ist ein kurze Wanderung auch ab Logan Pass - allerdings schon recht überlaufen, selbst im Vergleich zum Highlinetrail.
Liebe Grüsse
AnnSchi
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